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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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wissen noch nichts von Harros Tod, und später wird alles ein Spießrutenlaufen sein.«
    Meine kluge Gefährtin.
    Sie gingen, und ich beobachtete noch, wie Dinah im Flur Petra eine Sonnenbrille aufsetzte.
    Plötzlich fiel mir ein, daß ich wichtige Fragen vollkommen vergessen hatte. Ich hatte vergessen zu fragen, ob der Arzt abschätzen konnte, wann Harro gestorben war und ob er wohl an der Stelle gestorben war, an der man ihn gefunden hatte. Und ich hatte vergessen zu fragen, wer den Toten gefunden hatte. Also rief ich Salchow nochmal an und mußte eine Weile warten, weil er seine Sprechstunde abhielt.
    Endlich war der Arzt am Apparat. »Sie haben noch Fragen?«
    »Ja. Wann ist Harro gestorben? Können Sie das einengen?«
    »Ich habe noch einmal meine Notizen gelesen. Der Anruf des Hotels kam um etwa elf Minuten nach Mitternacht. Die Fahrt hinauf dauert etwa zehn Minuten. Dann war ich um 21 bis 25 Minuten nach 24 Uhr bei Harro. Die Temperatur der Leiche war noch normal, entsprach etwa der eines Lebenden. Ich habe allerdings nicht rektal gemessen, was ich im Fall eines eindeutigen Verbrechens getan hätte. Ich denke, er war nicht länger als eine halbe Stunde tot, maximal eine Stunde. Also ist er vielleicht um zehn Minuten vor Mitternacht gestorben.«
    »Ist er denn dort gestorben, wo Sie ihn aufgefunden haben?«
    »Die Antwort ist ja. Natürlich bin ich kein Kriminalist, aber auch da habe ich Erfahrung. Es ist ein Parkplatz, auf dem die Autos auf Grasstreifen stehen. Die Wege dazwischen sind nicht asphaltiert, sondern einfach festgefahrene Erde. Vom Hotel aus gesehen, liegt der Parkplatz auf der linken Hälfte frei, auf der rechten zur Hälfte unter sehr alten, schönen Buchen. Dort lag er, und er lag nicht im Gras, sondern auf der festgefahrenen Erde, auf der die Fahrzeuge ankommen und wegfahren. Der Körper war gekrümmt, das rechte Bein stark angewinkelt, das linke gestreckt. Und in der Verlängerung des Schuhs auf der rechten Seite waren starke Kratzer im Boden. Es hat ihn also wie ein Schlag erwischt, wie ein Ruck. Er muß versucht haben, wieder hochzukommen, er hatte aber keine Chance.«
    »Also keine Kampfspuren?«
    »Richtig.«
    »Wer hat ihn eigentlich gefunden?«
    »Gefunden hat ihn ein Gast, der spazierenging. Ein älterer Herr, der häufig am Ring Urlaub macht. Der fand ihn wohl wenige Minuten nach Mitternacht. Er ging zurück zum Empfang. Die verständigten die Polizei. Und die Polizei rief dann sofort mich an. Das ist ein ganz normaler Hergang, absolut nichts Besonderes. Ich kam Sekunden später als die Polizei an.«
    »Waren Sie dabei, als das Hotelpersonal sagte, sie hätten Harro gar nicht im Haus gesehen?«
    »Nein, aber ich habe davon gehört. Ich selbst habe mit niemandem vom Hotel gesprochen, ich hörte nur, wie ein Uniformierter sagte, Harro sei im Hotel von niemandem gesehen worden.«
    »Danke. Das wäre vorläufig alles.«
    Es ist ein merkwürdiges Gefühl, sich dem Schreibtisch eines Freundes zu nähern, der gerade gestorben ist. Ich gebe zu, ich war ziemlich zittrig. Es war ein alter Schreibtisch, vielleicht dreißig oder vierzig Jahre alt. Ich erinnerte mich, daß Harro einmal erzählt hatte, er habe ihn auf dem Trödel gekauft. Das Möbel war ein Monstrum aus Massivholz, Eiche wahrscheinlich. Die Schubfächer waren mehr als einen Meter tief. In der Mittelschublade war der Krimskrams, den auch ich im Schreibtisch verstaue. Briefklammern, alte Stempel, die zu nichts mehr nutze waren, Reißzwecken, halbe Dosen Pfefferminzpastillen, uralte, längst getrocknete Zigaretten, Füllfederhalter, die man aus irgendeinem Grunde aufbewahren wollte, Notizbücher halb gefüllt, dann ausrangiert. Keine Unterlage, keine Akte.
    Das, was ich suchte, war im linken Seitenschrank, drittes Fach von oben. Es war ein einfacher Umschlagkarton, nicht einmal ein Schnellhefter. Er enthielt eine Unmenge Zettel, manche DIN-A4 groß, manche nur halb so groß wie ein normaler Briefumschlag. Harro hatte auf den Karton zwei Buchstaben geschrieben: B. S. und dahinter das Jahr und den Monat: 1997/2. Das heißt, er war schon seit Februar an dieser Sache dran. Ich legte den Haufen Zettel vor mich auf die Platte, und ich erkannte, daß ich Mühe haben würde, die Zettel bestimmten Personen, Kontaktleuten oder Informanten zuzuordnen. Harro hatte keinen einzigen Namen ausgeschrieben, er hatte die Namen auf die Anfangsbuchstaben reduziert. Immer wieder tauchte B. S. auf, dann L, Q., dann w., kleingeschrieben. Es gab keine einzige

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