Eifel-Schnee
in Sachen Drogen dann schon vorbestraft?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, daß im letzten Sommer was lief, Betty hatte furchtbare Angst. Sie sagte: Wenn du in den Knast mußt, kann ich aus der Scheune ausziehen, weil dein Vater mich mit der Pferdepeitsche vom Hof prügelt. Das klingt ziemlich furchtbar, aber ich glaube, sie hatte recht. Das traue ich dem Mehren zu. Jedenfalls passierte dann gar nichts. Seine, also ich meine, Öles Verhandlung war angesetzt. In Wittlich. Aber dann kam zwei Tage vorher ein Schreiben vom Gericht, daß sie die Anklage fallenlassen. Weshalb sie das taten, stand nicht drin. Betty sagte immer wieder: Es ist ein Wunder geschehen, es ist ein Wunder geschehen.«
»Weshalb sollte er denn vor Gericht?« fragte Rodenstock.
»Wegen LSD hat Betty gesagt. Wegen fünfzig Portionen LSD.«
»Fünfzig Portionen?« Meine Stimme klang sehr schrill.
»Wir danken Ihnen sehr«, sagte Rodenstock schnell und reichte ihr die Hand.
»Aber bitte nichts sagen«, bat sie.
»Kein Wort«, versprach ich erneut.
Gerlinde Prümmer stapfte davon, sie nahm den Waldweg, auf dem wir gekommen waren.
»Ich sehe, wie deine Maschine da oben drin rattert«, sagte Rodenstock leise. »Denkst du an die fünfzig Portionen LSD?«
Ich nickte. »LSD ist ziemlich gefährlich, kann sofort zur Psychose führen, ist das letzte Scheißzeug und völlig unberechenbar. Wenn er mit 50 Portionen erwischt worden ist, bedeutete das todsicher Knast. Es bedeutete langen Knast. Und plötzlich wird das Verfahren eingestellt. Was soll das?«
»Ole hat zu Schniefke gesagt, die Bullen hätten andere Probleme, als ihm Angst zu machen. Was kann das bedeuten? Kanada paßt irgendwie. Die beiden sahen hier keine Chance. – Ich habe Kontakt zur kanadischen Botschaft«, knurrte Rodenstock. »Laß uns fahren, wir müssen telefonieren.«
»Mir fällt gerade ein, daß wir nicht einmal den Familiennamen von Betty kennen«, stellte ich verblüfft fest.
Wir fuhren heim und kamen gerade rechtzeitig, um zu verhindern, daß Paul den Eisschrank ausräumte. Entweder hatten wir vergessen, das Möbel zu schließen, oder er hatte es selbst geöffnet. Jedenfalls stand es sperrangelweit auf, und man sah Paul an, wie er intensiv überlegte, was er als erstes genußvoll zwischen die Zähne nehmen sollte.
Während Rodenstock telefonierte, schleppte ich Kohlen und Holz für den Kaminofen und heizte kräftig ein. Mittlerweile lag der Schnee gute dreißig Zentimeter hoch, und der Wetterbericht meldete, daß die Kälte in den nächsten Tagen halten würde. Das ist das Phantastische an der Eifel: es gibt noch richtige Jahreszeiten.
Rodenstock gab Auskunft: »Es ist richtig. Sie hatten sich Visa besorgt. Ein Visum für den Besuch bei alten Freunden. Betty heißt übrigens Sandner.«
»Fällt das nicht unter Datenschutz?«
»Du lieber Himmel«, seufzte er. »Wenn ich den Datenschutz ernst nehme, fange ich niemals einen Mörder. Ich habe einen Bekannten bei den Kanadiern, der Zugang zu den Computern hat. Er war so freundlich nachzusehen. Und ich wäre so freundlich, für ihn nachzusehen, wenn ich Herr des Computers wäre. Datenschutz ist ein phantastischer Bluff für Otto Normalverbraucher. Ich kenne kaum einen Kriminalbeamten, der nicht zwei- bis zwanzigmal im Monat gegen den Datenschutz verstoßen muß, weil sonst jeder Erfolg doppelt und dreifach so lange auf sich warten lassen würde. Ich dachte, du wüßtest das.«
»Ich weiß es ja auch. Aber manchmal hoffe ich eben, daß es nicht so ist«, erwiderte ich.
»Du bist ein Träumer«, seufzte er.
»Zu Befehl«, grinste ich.
»Nach Schniefkes Schilderung«, überlegte Rodenstock, »waren Ole und Betty am Mittag des Heiligen Abend sehr gut drauf. Sie haben offenbar von der Gefahr nichts geahnt. Nach Schniefkes Schilderung waren sie sogar übermütig. Wahrscheinlich wegen des bevorstehenden Fluges nach Kanada. Wie können wir erfahren, wohin sie gefahren sind, nachdem sie die halben Hähnchen verlassen haben? Wer könnte das wissen?«
Ich gab keine Antwort, weil ich keine hatte.
»Wir müssen schnellstens herausfinden, wer außer dieser kleinen Friseuse noch weitere Kenntnisse über unser Pärchen hat. Eigentlich hätten wir die Friseuse danach fragen müssen, war aber nicht möglich, weil wir sie sonst konfus geredet hätten. Merke dir: Geh vorsichtig mit wichtigen Zeugen um. Sie sind eine Kerze, die an beiden Enden brennt.«
»Noch so ein Spruch, und du hast eine Woche frei«, unterbrach
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