Eifel-Schnee
ragte majestätisch in ein blaues Himmelsloch. Jemand hatte eine Kurve zu eng genommen und war im Straßengraben gelandet. Er hatte das Auto einfach stehengelassen. Links brach ein Eichelhäher aus einer Krüppeleiche, und ein Fischreiher querte mit mächtigen Schwingen die Straße.
»Es ist so, Mario«, sagte ich und sah ihn im Spiegel an. »Wir werden alles herausfinden, was wir herausfinden müssen, um diese Schweine zu erwischen. Du kannst uns die Sache vereinfachen, du kannst einfach beschließen, uns zu helfen.«
»Bringt das was?«
»Selbstverständlich. An was hast du gedacht?«
»Ich hab ja Ferien, Mann. Können wir einen Tagessatz ausmachen? Ich will nämlich auch wissen, welches Schwein das war. Mensch, eh, das mußt du dir mal vorstellen: Da haben die endlich einen Weg nach Kanada, da haben die ein Visum, da haben die eisern Geld gespart und die Tickets gekauft, da freuen die sich ein Bein ab. Und dann das.«
Da hockte er und konnte das Leben in all seiner Ungerechtigkeit nicht begreifen. In jedem Ohr eine silberne Sicherheitsnadel von gewaltigen Ausmaßen, in jedem Nasenflügel einen beachtlichen Brillanten, an den Zeigefingern der linken und rechten Hand je einen silbernen Totenkopfring mit kleinen grünen Steinen als Augen. Er trug einen geradezu sagenhaft dreckigen Pullover und eine tarnfarbene Hose aus Bundeswehrbeständen. Er war ein einziger, schmaler, energischer Protest gegen diese Erwachsenenwelt, und sein blaugefärbter Hahnenkamm wirkte wie eine Flamme der Verachtung.
»Du schuldest mir eine Antwort«, mahnte ich.
Ich kam auf der kleinen Kreuzung an und bog nach links ab auf Gerolstein zu. Er hockte zwischen uns, und seine Augen waren ganz weit weg. »Ich habe es nicht glauben wollen«, sagte er.
Also eine andere Fährte, dachte ich. »Kennst du diesen Holländer, diesen Jörn van Straaten?«
»Klar, jedenfalls dem Namen nach. Persönlich nicht. Muß aber eine tolle Type sein, hat Betty immer gesagt. Sind die vollständig verbrannt?«
»Na ja, nicht ganz«, gab ich Auskunft. »Der Rest reichte für die Gerichtsmedizin. Woher kommt denn dieser Holländer? Amsterdam, Utrecht, Eindhoven oder woher?«
»Aus s'Hertogenbosch«, teilte Mario mit. »Ole und Betty waren ein paar Mal da. Sie hatten immer viel Spaß.«
»Ist dieser van Straaten ein älterer Mann, der sich langweilt?« fragte Rodenstock sanft.
»Wenn ich das richtig verstanden habe, ja. Aber, wie gesagt, ich kenne den Mann nicht.«
»Wer hat Ole und Betty beliefert?« fragte ich.
»Verschiedene Leute. Für Haschisch gibt es eben andere als für Ecstasy und so. Wer das war, weiß ich nicht, kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich deale nicht. Woran sind sie denn nun wirklich gestorben?«
»Das wissen wir nicht«, sagte Rodenstock. »Es gibt noch einen anderen fragwürdigen Punkt. Die Kripo hat in diesem Jahr, wohl im Sommer, Ole mit fünfzig Portionen LSD erwischt. Ein Gerichtstermin in Wittlich war schon angesetzt, und er hätte todsicher in den Knast gemußt. Dann wurde das Verfahren eingestellt. Bei fünfzig Portionen LSD wird das Verfahren nie eingestellt. Was ist da passiert?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Mario viel zu schnell.
»Das glaube ich dir nicht«, erwiderte ich ruhig. »Jeder hier wußte von der Geschichte. Es wurde darüber geredet. Was hast du also gehört?«
»Darüber spreche ich nicht so gern. Das mußt du verstehen, Mann.«
»Das ist akzeptiert«, nickte ich. »Keine Frage mehr in diese Richtung. Hast du eine Freundin?«
»Na sicher. Sie geht in die Parallelklasse, sie ist aus Hillesheim und heißt Vera. Sie ist nicht auf Stoff, falls ihr das fragen wollt. Sie raucht nicht mal und ißt nur vegetarisch. Heh, Leute, habt ihr was dagegen, wenn ich mir einen Joint baue?«
Ich schaute Rodenstock von der Seite an. Er nickte sanft, und ich hörte, wie er murmelte: »Mach nur, mein Junge, wenn es dir schmeckt.«
»Wie ist die Situation mit den Bullen hier?« fragte ich.
»Bullen finden überhaupt nicht statt, Mann«, antwortete Mario. »Seitdem sie Kripo anders organisiert haben, siehst du Uniformierte, aber du siehst ganz selten nur Kripoleute. Die kommen ja kaum noch, wenn irgendwo eingebrochen wurde. Die haben keine Zeit und keine Leute. Ich habe neulich den Kremers getroffen, der hier in Daun für Eigentumsdelikte und so tätig ist. Was meinst du, Mann, was der sich geleistet hat. Eh, das ist nicht zu fassen, ist das. Also, wir treffen uns vor der Rosenapotheke, und er fragt mich, ob ich Lust
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