Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
wollen, denn er fragte versunken: »Glaubst du, daß die beiden eine Bedrohung wahrgenommen haben?«
    »Das ist unwahrscheinlich. Nichts wäre einfacher gewesen, als schlicht ein paar Tage zu verschwinden. Hier geht die Straße nach Feusdorf hoch, hier ist der Punkt, wo der Weg zum Birkenhof abzweigt. Ich fahre also den Berg hoch, und du bist so gut und achtest auf einen möglichen Waldweg.«
    Zweihundert Meter weiter mündete einer. Ich hielt kurz und schaltete den Allradantrieb ein. Es ging in einem weit geschwungenen Bogen durch dichtes Tannengehölz, dann kam in einer engen Kehre der Übergang zu Birken- und Erlenbestand. Die Biegungen waren scharf, die Räder zogen eine schmierige, tiefe Spur durch den Matsch. Ganz unvermittelt tauchte links von uns die Brandstelle auf.
    »Das wäre Nummer eins«, sagte ich. »Hierfür braucht man aber einen Jeep. Es muß also noch eine Nummer zwei geben.« Ich drehte und lenkte den Wagen bergauf. Sehr versteckt war dort eine weitere Abbiegung. Dieser Weg war wesentlich besser ausgebaut und härter aufgefüllt, und es machte nicht die geringsten Schwierigkeiten, in weniger als drei Minuten unten im Tal anzukommen. Die Reste der Scheune lagen jetzt rechts von uns in etwa einhundert Metern Entfernung.
    »Das hätte mich auch gewundert«, meinte ich. »Also konnte niemand im Haupthaus kontrollieren, wann Ole und Betty in ihrer Scheune waren und wann nicht.«
    »Wie muß ich mir das eigentlich vorstellen?« fragte Rodenstock pingelig. »Sie können doch nicht so einfach in einer Scheune gehaust haben, zwischen Bretterwänden, durch die der Wind pfiff.«
    »Ich weiß nicht, wie sie das technisch gelöst haben.«
    »Laß uns hier verschwinden«, sagte er. »Vielleicht können wir irgendwo einen Kaffee kaufen.«
    »Kaffee um diese Zeit am zweiten Weihnachtstag gibt es nicht«, beschied ich ihn. Ich drehte, und wir verschwanden wieder im Schutz des Waldes. »Ich zeige dir jetzt was typisch Eiflerisches.«
    Ich fuhr nicht nach Jünkerath zurück, sondern nach Feusdorf die Steigung hoch. Hier lag der Schnee doppelt so hoch wie unten im Kylltal. Oben bog ich links nach Esch ein, dann ging's wieder scharf nach rechts, wo wir die schmale Straße zurück nach Jünkerath erreichten. Es war ein Traum weg. Links und rechts Hochwald, links und rechts von schwerem Schnee behängte Weißtannen, eine Traumlandschaft. Ich fuhr in die Mündung eines Waldweges, hielt an und stopfte mir die Silke Brun von Stanwell, die Dinah mir geschenkt hatte und auf die ich so stolz war.
    »Das ist etwas für das romantische deutsche Herz«, sagte ich.
    Rodenstock sagte nichts, nickte nur und sah starr geradeaus.
    Ich merkte erst nach einer Weile, daß ich einen Fehler gemacht haben mußte, denn er schneuzte sich plötzlich geräuschvoll und wischte sich über die Augen. »Weihnachten ist eben große Scheiße«, sagte er.
    Wir standen eine halbe Stunde dort, und niemand kam vorbei.
    »Laß uns fahren«, meinte er endlich mit belegter Stimme. »Wir werden auch das kaputtkriegen, wir Menschen kriegen alles kaputt.«
    Wir fuhren hinunter nach Jünkerath und ließen uns beim Türken ein Gläschen Tee geben. Sonderlich überraschend war das nicht, daß der Laden auf hatte. Er war so etwas wie der Marktplatz der Türken, lebensnotwendiger Treffpunkt, Mittelpunkt einer kleinen, höchst lebendigen Gemeinschaft. Überdies, so versicherten sämtliche Hausfrauen, bot das Geschäft das beste Gemüse an.
    Der Tee war rabenschwarz und gut.
    Wenig später versuchten wir es erneut über den Wiesenweg. Die Brandexperten waren verschwunden. Wir ließen den Wagen im Wald stehen und gingen die wenigen Meter zu Fuß.
    Rodenstock blieb vor dem Chaos der Zerstörung stehen und rührte sich nicht. Ich wußte, daß er allen Tatorten in seinem Leben so begegnet war: stumm und mit höchster Konzentration. Wahrscheinlich sah er auf diese Weise mehr als alle anderen, die neugierig und hektisch den Ort des Geschehens zehnmal umrundeten. Jemand hatte mal von Rodenstock gesagt: »Er war der stillste Leiter einer Mordkommission, den man sich vorstellen konnte. Aber deswegen war er auch der beste.«
    »Was siehst du?« fragte ich nach einer Weile.
    »Technisch geschickt gemacht«, murmelte er. »Sie haben sich in der Scheune eine fast perfekte Zwei-Zimmer-Wohnung mit Bad und Küche gebaut. Hatte Ole Ahnung vom Bauen?«
    »Wahrscheinlich. Alle Bauern haben Ahnung, und alle Bauern bauen alles selbst. Und sie können auch alles. Ole hatte wahrscheinlich

Weitere Kostenlose Bücher