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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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vorbei in die erste scharfe Rechtskurve hinunter in das Tal der Kyll. In Pelm stand eine Gruppe Jugendlicher vor dem Häuschen der Bushaltestelle und langweilte sich zu Tode. Einer von ihnen zeigte mir drohend den ausgestreckten Mittelfinger, und wahrscheinlich war er noch stolz darauf. »Van Straaten würde sich freuen«, murmelte ich. »Ihr seid alle gute Kunden.«
    Ich zog die Talstraße entlang, rechts befand sich das Gelände von Geroisteiner, links die unsäglich häßliche Rückfront der eigentlich so schönen Fußgängerzone.
    Ich fuhr nicht auf den Parkplatz des Apartmenthauses, sondern parkte unten in einer kleinen Seitenstraße und bummelte dann gemächlich den Hügel hinauf zum Eingang. Ich hoffte, daß irgendein Eingang nicht abgeschlossen war.
    Natürlich war die Haupthaustür verschlossen. Ich starrte an der Fassade hoch. In vier Apartments brannte Licht. Ich überlegte, einfach zu klingeln, hineinzugehen und abzuwarten, als ein Lichtstreifen schnell und huschend über die Vorhänge in Melanies Apartment blitzte. Ich dachte ganz automatisch: Kremers! und lief die paar Schritte bis zur Ecke des Gebäudes.
    Er erschien nicht im Haupteingang, er kam an der Seite heraus und bewegte sich vollkommen gelassen und ruhig, summte sogar vor sich hin. Er ging ein paar Schritte die Straße hinunter, machte dann bei einem Opel-Kombi halt und stieg ein. Dann rollte er davon.
    Ich schlich an der rechten Seite des Hauses entlang und entdeckte die Tür. Es handelte sich um eine Metalltür, und sie war nicht verschlossen. Wahrscheinlich eine Absprache unter den Mietern, sicherheitshalber einen Eingang geöffnet zu lassen. Ich erreichte einen Kellergang, grellweiß getüncht, dann eine weitere Metalltür, die in das Treppenhaus führte. Ich wußte, daß die Eingangstür zu Melanies Wohnung versiegelt sein würde, und fragte mich, ob Kremers es riskiert hatte, das Siegel zu brechen.
    Das Siegel war zerrissen, und Kremers hatte einen Schlüssel gehabt, natürlich. Ich überlegte einen Augenblick, ob ich es riskieren sollte, und stemmte dann den breiten Schraubenzieher meines Schweizer Messers neben dem Türschloß in den Spalt und drückte die Tür auf. Es roch muffig.
    Ich hielt mich nicht auf, ging sofort in das Badezimmer, knipste das Licht an und schraubte das Kachelgeviert an der Badewanne auf. Es war so, wie ich vermutet hatte: Das Kokain war noch da. Das war sehr logisch, daß Kremers es dort gelassen hatte. Die böse, Kokain verkaufende Melanie mußte auch nach ihrem Tod die böse Melanie bleiben. Kremers war konsequent.
    Ich machte mich auf den Rückweg und hockte zwei Minuten später schon wieder in meinem Auto. Der Wind hatte nachgelassen, der Schnee fiel in großen Flocken in die schweigende Welt. Ein paar Autos kamen mir entgegen, und sie fuhren unverschämt schnell. Wahrscheinlich junge Leute auf dem Weg zu einer Party oder in eine Disko. Wahrscheinlich versuchten sie herauszufinden, an welchem Punkt sie aus der Kurve getragen würden.
    Ich hörte im Geiste Kremers mit seiner unangenehm metallenen Stimme formulieren: »De mortuis nihil nisi bene – nichts Übles über die Toten, meine Damen und Herren. Aber wir können nicht verschweigen, daß Melanie davon lebte, ein Rauschgift zu verkaufen, ein schreckliches Rauschgift, Kokain. Es kann tödlich sein, meine Damen und Herren, und sehr häufig ist es tödlich. Es zerstört das Leben unserer Kinder, das dürfen wir nie vergessen ...« Die Sehnsucht nach ein bißchen Sonne und Wärme überfiel mich, und ich wünschte mir, der Sommer möge für ein paar Stunden zurückkehren. Ich könnte mich unter meine Birke legen und in den Himmel blinzeln.
    »Wo warst du?« fragte Rodenstock.
    »Ich habe Kremers getroffen. Er ist in Melanies Apartment eingedrungen, um festzustellen, ob das Kokain noch vorhanden ist. Es ist vorhanden.«
    »Und du? Bist du auch eingedrungen?«
    »Sicher. Ich mußte mich überzeugen.«
    »Das war leichtsinnig«, lächelte er.
    »Nicht leichtsinniger, als aus Monika Betty zu machen«, antwortete ich, und er gab mir recht.
    Die Frauen kamen erst nach Mitternacht zurück, und sie waren müde und schweigsam. Monikas Anblick war verblüffend. Ich hockte mich vor sie, ließ sie sich drehen und hinsetzen und gehen, en face, im Profil. Dabei starrte ich dauernd auf Bettys Fotos.
    »Das ist wirklich gut«, sagte ich. »Weißt du, ob deine Stimme Ähnlichkeit mit der von Betty hat?«
    »Nicht total«, erwiderte Monika. »Aber es müßte für ein paar

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