Eifel-Schnee
ein Gesetz!« schnaubte Rodenstock.
Ich antwortete nicht, zuweilen ist es einfach besser, zu schweigen und zu handeln. Also tat ich beleidigt.
»Kannst du dann diese Jutta anrufen?« bat Emma. »Sie muß schließlich noch arbeiten.«
»Mach ich«, sagte ich und rief Jutta Näckel in Kelberg an. Wahrscheinlich bekam ihr Sohn Max gerade sein Abendessen und mochte es nicht, denn sein Geschrei im Hintergrund war gewaltig.
»Baumeister hier. Ich wollte dich um einen Gefallen bitten, Jutta. Da kommen gleich drei mehr oder weniger kriminelle Damen. Eine von ihnen soll so hergerichtet werden, daß sie einer anderen jungen Dame ähnlich sieht. Hast du so etwas schon mal gemacht?«
»Nein, aber etwas hat immer Premiere.« Sie lachte. »Aber ungesetzlich ist da nichts?«
»Nein. Machst du es?«
»Jetzt?«
»Jetzt. Wir müssen es versuchen.«
»Her damit«, sagte sie.
»Ihr könnt fahren«, teilte ich den Frauen mit. »Emma, was ist mit den Zeitungen?«
»Richtig«, nickte sie munter. Sie wählte eine sehr lange Nummer und schien jemanden mit dem Namen Piet erreicht zu haben. Sie sprach niederländisch, sehr schnell. Dann unterbrach sie die Verbindung und strahlte uns an. »Van Straaten wird es beim Frühstück lesen.«
Ich versuchte, gleiches beim Trierer Volksfreund zu erreichen. Ich erwischte den Anzeigenleiter, einen Mann namens Blass, der mir schon einmal wegen großer Sachkenntnis aufgefallen war. »Ich habe ein Problem. Wir haben recherchiert, daß möglicherweise in Jünkerath bei dem Doppelmord die tote junge Frau nicht etwa Betty Sandner ist, sondern eine Frau, die noch gar nicht identifiziert ist.«
»Ein scheußlicher Fall«, entgegnete Blass.
»Könnten Sie auf die Eifelseite 1 eine dementsprechende Meldung legen?«
»Das geht, wenn ich mit einer kleinen Anzeige auf die 2 gehe. Zehn Zeilen?«
»Das würde reichen«, bestätigte ich. »Ich muß aber fairerweise zugeben, daß die Meldung eine Ente ist. Es ist ein Gerücht, aber ein sehr wichtiges Gerücht.«
»Wollen Sie den Baum schütteln?«
»Das will ich«, sagte ich erleichtert. »Machen Sie es?«
»Schon passiert«, antwortete er. »Geben Sie mir den Text. Am besten per Fax, dann sind Hörfehler auszuschließen.«
Ich formulierte: Jünkerath. Der Doppelmord in der Drogenszene macht nach wie vor Schlagzeilen. Wie gut Informierte gestern sagten, besteht durchaus die Möglichkeit, daß es sich bei der weiblichen Leiche nicht um die Lebensgefährtin des Ole Mehren handelt, sondern um eine andere, bisher nicht identifizierte junge Frau. Auf Anfrage lehnte die Staatsanwaltschaft jeden Kommentar ab.
Die Frauen fuhren nach Kelberg, Rodenstock und ich blieben mit dem hohlen Gefühl zurück, eine riskante Aktion vor uns zu haben, die wir durchaus nicht beherrschten.
Endlich polterte Rodenstock: »Scheiß drauf, wir ziehen es durch. Wir haben doch gar keine Wahl.«
»Glaubst du, daß Dieter Kremers und Jörn van Staaten mit so einer Art Code verkehren?«
»Keine Ahnung. Glaube ich aber nicht. Denn sie werden sich treffen und nie am Telefon über irgendwelche Aktionen sprechen. Warum?«
»Es wäre doch schön, wenn es gelänge, den Kremers in unser Kaffeekränzchen einzubeziehen.«
»Du bist ein Sauhund«, grinste er. »Und wie willst du ihn locken?«
»Mit Jimmy. Wenn Jimmy in Not ist, muß Kremers kommen. Jimmy ist nämlich seine neue Nummer eins.«
Rodenstock hockte sich vor den Fernseher und zappte sich durch die Programme. Er erwischte einen Derrick und strahlte: »Das habe ich gern, das ist absoluter Durchschnitt. Das ist richtig deutsch. Bei dem bluten nicht mal die Leichen.«
»Ich fahre mal eben zu einem Kumpel«, informierte ich ihn.
Es schneite schon wieder, aus Ost kam ein scharfer, kalter Wind. Aus einer Stimmung heraus wählte ich den Weg an der Adler- und Wolfsburg in Pelm vorbei. Heute kommt es mir so vor, als habe ich mich nach Gerolstein einschleichen wollen, wenngleich kaum Fahrzeuge auf der Strecke waren und schon gar keine Fußgänger, die man wegen ihrer Seltenheit in der Eifel unter Naturschutz stellen sollte. Wo sich im Sommer Abertausende von Touristen tummeln, herrschte heute tiefste Einsamkeit, der Schnee dämpfte die Rollgeräusche der Reifen, es war geradezu unheimlich still. Ich stellte mir all die Adler und Eulen und Raubvögel vor, die jetzt auf ihren Stangen in dem alten Gemäuer hockten und wahrscheinlich schliefen. Wie können sie bei dieser Kälte schlafen, ohne zu sterben? Die Straße führte am Restaurant
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