Eifel-Sturm
Dorint eines kaufen. Sonntag ohne Kaffee geht nicht. Wie oft habt ihr Anna vernommen?«
»Jeden Tag. Und sie ist sehr kooperativ.« Vera zündete sich die nächste Zigarette an und ließ die Kippe aus dem Fenster segeln. »Doch sie hat keinen blassen Schimmer, wo ihr Mann gewesen sein kann. Und dann die Sache mit dem Plastikgeld.«
»Plastikgeld? Was ist damit?«
»Kennst du den Tatort? Wenn du auf der Fußgängerbrücke stehst, also auf der evangelischen Brücke, wie die Monschauer sagen, dann lag Driesch rechts im Fluss. Auf einer gemauerten Fläche eines Abwasserkanals. Zwanzig Meter weiter lag sein Geldbeutel an einem Grasrand. Kannst du dir das vorstellen?«
»Jeden Zentimeter.«
»Da gibt es eine Kleinigkeit, die die Kommission der Öffentlichkeit verschwiegen hat. Geh mal im Geist auf die Fahrbahnbrücke nebenan und betrachte die Rur flussaufwärts ... Gut. Da ist rechter Hand ein weit über den Fluss ragendes Haus, eine Kneipe. Ziemlich beliebt. Der Restaurantbereich befindet sich fast senkrecht über dem Wasser. Die Entfernung zur Brücke beträgt etwa hundert Meter. Und unterhalb dieses Restaurants lagen zwei Plastikgeldkarten mit Jakob Drieschs Namen. Eine von der Volksbank in Imgenbroich, eine weitere von der Kreissparkasse Düren. Sie lagen beide ordentlich nebeneinander auf einem Flecken Kies. Gleich daneben ist ein Wasserloch, in dem Forellen stehen. Kischkewitz will, dass wir diesen Fund verschweigen, er meint, das sei möglicherweise ein Schlüssel zu dem Fall. Wir kriegen es aber nicht auf die Reihe, Baumeister. Es ist wie eine Obsession, ich möchte zuweilen mein Gehirn abschalten. Aber das geht nicht. Kischkewitz hat einen bösen Verdacht: Wenn der Täter den Tatort bis zur Unkenntlichkeit verzerren wollte, dann hat er mit den Plastikkarten das genau Richtige getan. Wir sind vollkommen ratlos. Wenn Driesch die Karten verloren hat, dann muss er dort durch den Fluss gelaufen sein. Aber woher und wohin? Hat der Täter sie dort drapiert, steht die Kommission im Regen.«
Vera begann zu lächeln. »Ich sollte aufhören, nachzudenken. Mich macht die Geschichte vollkommen verrückt. Was ist jetzt mit Frühstück? Ich würde für mein Leben gern Erdbeermarmelade auf Toast essen. Wir machen uns fein und auf den Weg. Es ist Sonntag, Baumeister.«
»Wann werdet ihr seine Leiche freigeben?«
»Bestenfalls in einer Woche. Da stehen noch chemische Untersuchungen an und bestimmte Muskelschnitte.«
»Haben die Geheimdienste eigentlich etwas beisteuern können?«
»Nein. Im Gegenteil. Sie haben uns verrückt gemacht. Driesch war ein Mann, an dem Geheimdienste bisher absolut nicht interessiert waren. Jetzt ist er tot und plötzlich wollen alle mitreden und sezieren sein Leben.« Sie warf die zweite Kippe in den Garten. »Es war schön, Baumeister. Du warst so schön albern.«
»Ich hoffe zu Gott, dass Andrea an mich gedacht und Jeans und Unterhosen und Strümpfe und all das Zeug gerettet hat. Geh schon mal ins Bad.«
Ich begab mich auf die Suche. In einem Raum, der bis zur Decke mit Möbeln, Bücherkisten und Regalen voll gestopft war, lag auf einer Tischplatte ein Zettel: Falls du was zum Anziehen brauchst: In der Küche zwei Kisten. Schönes Wochenende. Andrea. PS: Du kannst zum Frühstück kommen!
Als wir das Haus verließen, war es neun Uhr. Die Sonne schien, es würde wieder heiß werden. Ich fuhr, während Vera mit Kischkewitz telefonierte, mit jemandem, den sie mit Onkel Schu anredete, und dann mit einer Freundin, die sie darüber informierte, dass sie in der Eifel geschlafen habe und jetzt zu einem Frühstück unterwegs sei. Dass sie gute Laune habe und sich dafür entschuldigen wolle, dass sie in den vergangenen Tagen so mies drauf gewesen sei. »Jetzt geht das alles besser«, schloss sie. »Und noch was, meine Liebe. Die Welt besteht nicht nur aus Drieschs. Und die Eifel ist traumhaft, sage ich dir.«
Als ich den Wagen in Brück auf den Hof rollen ließ, wurde sie blass. »Das ist ja furchtbar. Du hättest ja sterben können.«
»Geh lieber nicht rein. Da kommen dauernd Deckenteile runter. Und es ist alles voller Schlamm. Morgen kommen die Container, morgen wird aufgeräumt.«
»Baust du es wieder auf?« Sie griff nach meiner Hand.
»Ich muss es aufbauen, meine Katzen haben das beschlossen. Genauso wie meine Nachbarn und meine Goldfische.«
»Du bist verrückt.«
»Ja, Gott sei Dank.«
Wir frühstückten auf Andreas Terrasse und es gab Erdbeermarmelade und Toast. Dann rief ich Anna an.
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