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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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»Hast du Zeit für mich?«
    »Wenn du mich schonend behandelst.«
    »Ich komme nicht wegen eines Interviews.«
    »Dann komm her.«
    Wir fuhren über Hillesheim in das Ahrtal hinunter und dann Richtung Blankenheim. Auf der Fernstraße war die Hölle los, weil am Nürburgring irgendetwas stattfand und Motorradhorden wie wild gewordene Cowboys durch das Land rasten. Dazu waren eine erstaunliche Menge von Trikes unterwegs, die knatternd und röhrend die Bäume krank machten. Wir kamen nur langsam vorwärts und vor uns fuhren in endloser Kolonne Holländer und Belgier, die die Eifel genießen wollten und sich einfach nicht zur Seite scheuchen ließen.
    »Kommt das öfter vor? Ich meine, dass jemand bei dir schläft, einfach so.«
    »Nein, das kommt nicht oft vor. Ehrlich gestanden bist du meine Premiere, ich bin kontaktscheu und schüchtern.«
    »Baumeister, du lügst wie ein Heiratsschwindler.« Sie lachte.
    »Wenn du meinst.«
    In Krekel bildete sich ein kurzer Stau, weil ein Motorradfahrer samt Braut in heller Lebensfreude in einen bäuerlichen Mistwagen hineingefahren war und jetzt mit blutiger Nase am Straßenrand saß und darüber nachdachte, wieso er den Mist nicht gesehen hatte.
    »Am Sonntag Mist fahren?«, fragte Vera erstaunt.
    »Na ja, der Sonntag ist eine menschliche Einrichtung.«
    In Schieiden mussten wir an der Hauptkreuzung links abbiegen und nach einem Kilometer ging es rechts den Hang hinauf. Das Haus lag in greller Sonne und schimmerte weiß.
    Anna stand im Flur. Sie trug ein bodenlanges schwarzes Kleid, hatte die Haare zu einem Schwanz zusammengebunden und wirkte ganz ruhig.
    »Ach, Vera ist dabei. Wollt ihr was essen?«
    »Wir haben schon«, sagte ich.
    »Dann kommt rein. Ich habe mir den Kamin angemacht, ich friere dauernd.«
    In dem großen Wohnzimmer herrschte eine höllische Temperatur.
    »Tee? Kaffee? Was anderes?«
    »Wasser vielleicht«, sagte Vera. »Ich bin auch still, ich höre nur zu.«
    »Wo sind die Kinder?«, fragte ich.
    »Bei meinen Eltern in Schöneseiffen. Ich wollte sie von den Füßen haben, sie müssen das hier nicht alles mitkriegen. Aber wahrscheinlich kriegen sie sowieso alles mit. Wie geht es dir?«
    »Ich bin abgebrannt.«
    »Ich hörte davon.« Sie kramte irgendwo hinter uns herum und kam dann mit einer Wasserflasche und Gläsern an den Tisch. »Zahlen die Versicherungen wenigstens?«
    »Es sieht so aus.«
    »Und dann? Bleibst du in der Eifel?«
    »Aber ja, ich will hier beerdigt werden. Darf ich mir eine Pfeife ins Gesicht stecken?«
    »Mach nur.« Sie setzte sich in einen Sessel und starrte in das knisternde Feuer. »Ich weiß nicht, ob ich hier bleibe. Man sagt immer: Hier gehöre ich hin. Aber was ist, wenn du entdeckst, dass du zu ihm gehört hast und gar nicht hierhin? Ich habe mich über ihn definiert. Und nun habe ich nicht die geringste Vorstellung davon, was wir machen sollen.«
    »Aber du hast doch die Arbeit mit den Jugendlichen«, warf ich ein. Anna hatte in vier oder fünf Gemeinden Jugendhäuser gegründet, still und zurückhaltend, aber sehr wirkungsvoll.
    »Die Arbeit kann ich auch andernorts erledigen. Das ist kein Grund. Es ist auch nicht das Geld, er hat gut für uns gesorgt. Aber wahrscheinlich werde ich eines Morgens im Allgäu oder am Bodensee aufwachen und mich fragen: Was soll ich hier? Und dann werde ich ganz schnell in die Eifel zurückwollen. Außerdem sind meine Eltern hier. Und Jakobs Mutter.« Sie lächelte in das Feuer. Sie hatte das gesagt, um sich selbst darüber klar zu werden, was sie machen wollte.
    Anna drehte sich zu Vera. »Würden Sie mir eine Zigarette spendieren?«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich rauche normalerweise nicht, aber in den letzten Tagen habe ich den Eindruck, dass das hilft. Ich weiß nicht wie, aber meine Hände haben etwas zu tun. Sicher ist das dumm.« Sie ließ sich Feuer geben und paffte wie ein Schulmädchen hinter den Stachelbeersträuchern. Dann fragte sie unvermittelt: »Sind Sie hier, um meine Aussagen noch mal zu überprüfen?«
    Vera wurde augenblicklich nervös. »Nein. Ich habe nur gestern erlebt, wie Baumeister mit einem Mörder umgegangen ist. Und das hat mich neugierig gemacht. Ich habe ihn gefragt, ob ich hierher mitkommen darf. Die Arbeit von Journalisten sieht so ganz anders aus, ich meine ... Also, wenn es Ihnen nicht recht ist, gehe ich und warte draußen.«
    »Wieso ein Mörder? Was hast du getan, Baumeister?«
    »Nichts Besonderes. Ich habe mich mit demjenigen unterhalten, der Annette von

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