Eifel-Sturm
ehe sie zugab: »Das wird mir einfach zu eng.«
»Du hast Angst?«
»Kann man so sehen.« Sie machte eine fahrige Handbewegung. »Ach Scheiße, Baumeister. Das kann doch sowieso nicht gut gehen. Wir haben beide einen ziemlich harten Job und sowieso keine Zeit füreinander. Also machen wir Schluss damit, ehe wir richtig losgelegt haben. Wenn wir den Fall erledigt haben, werde ich wieder im Landeskriminalamt in Mainz sitzen und du hockst hier draußen in der Pampa. Und jeder wird sagen: Heute Abend geht es nicht, heute Abend habe ich schon was anderes vor.«
»Diese Scheißsingles!«, schimpfte ich. »Völlig unverbindliche Vögelei, völlig unverbindliche körperliche Freundlichkeiten. Und wenn es dann nicht mehr in den Kram passt, ein völlig unverbindliches ›Das war's‹! War ganz nett, aber jetzt störst du!« Ich stieg auf die Bremsen. »Falls du es übersehen hast, ich stehe vor deinem Hotel!«
Sie zuckte zusammen, sie hatte wirklich nicht registriert, dass wir schon da waren. »Ich bin schon weg«, sagte sie heiser. »Was mache ich bloß für einen Mist?« Damit stürzte sie aus dem Wagen in den Hoteleingang, als hätte ich ihr eine Tracht Prügel angedroht.
Mannhaft sagte ich: »Blöde Tussi!« und gab Gas. Ich verfiel in einen wütenden Dialog mit mir selbst, in dem die Rede davon war, dass sich ein normaler Mann sowieso nie mit einer Polizeibeamtin einlassen dürfe, weil ganz klar die Bürokratie und der Wahn der Karriere alles kaputtmachen, alles zertrümmern und nur noch nacktes Entsetzen zurücklassen würde.
Diesmal nahm ich ab Schöneseiffen die Strecke über den Weißen Stein, Losheim und Stadtkyll. Ich wusste genau, dass ich nicht würde schlafen können, deshalb fuhr ich nach rechts auf den Stausee zu und bog dann auf den Wirtschaftsweg ein, der zu Wilma Bruns' großelterlichem Haus führte. Es lag wie eine sehr friedliche Insel unter einem blassgelben Vollmond und machte durchaus nicht den Eindruck, als verberge es Geheimnisse. Ich parkte den Wagen unter dem Birnbaum und hockte mich auf die Bank neben der Haustüre. Dort saß ich einige Minuten und genoss die frische Luft. Ich dachte darüber nach, wie verbohrt wir alle waren, wie hilflos Vera gewirkt hatte, wie wütend Rodenstock und wie beißend Emma.
Plötzlich kroch ein Wagen langsam den Weg hoch. Ich weiß noch heute, dass ich zwischen Flucht und Verstecken schwankte. Warum ich flüchten wollte, weiß ich nicht, vielleicht roch ich die Gefahr. Warum ich mich verstecken wollte, war klar: Horchen, beobachten. Doch ich blieb sitzen, weil mir einfiel, dass mein Wagen unübersehbar auf dem Hof parkte, dass es irgendwie lächerlich gewirkt hätte, den Indianer zu spielen.
Es war ein Rover Freelander. Daher erwartete ich, dass Albert Tenhoven aussteigen würde, um zu mir zu kommen und zu reden. Aber es war nicht Albert, es war seine Frau Hermine.
Ihre Bewegungen waren bedächtig. Sie schaltete die Scheinwerfer ab, stieg aus und kam gemächlich auf mich zu. Sie trug einen schwarzen Pullover zu schwarzen Lederhosen und derbe Wanderschuhe. Sie sagte »Hallo!« und setzte sich neben mich auf die Bank. »Noch unterwegs?«
»Ja, ich kann nicht schlafen. Ich wollte irgendwie Wilma schnuppern.«
»Das kann ich nachfühlen«, nickte sie langsam. »Mir geht es ähnlich. Ich war fassungslos, als ich davon hörte. Bist du im Moor gewesen, wo es passierte?«
»Ja, aber es hilft nicht, keiner hat eine Ahnung, was sich abgespielt hat. Wir wissen nur, dass sie begriffen hatte, wer Drieschs Mörder ist. Das hat sie ihrer Mutter erzählt. Dann ist sie losgefahren, um den Mörder zu treffen. Doch der Mörder war ihr wohl einen Schritt voraus.«
»Heute in den Spätnachrichten ist gesagt worden, dass die Polizei Wilmas Wagen gefunden hat. In Rott, in einem Gebiet, in dem die Aachener ihre Häuser bauen. Das Auto ist nur durch einen Zufall entdeckt worden. Es stand in der Einfahrt zu einem leeren Haus. Spielt dieses Rott irgendeine Rolle in den Fällen?«
»Nein, bisher nicht. Was treibt dich nachts hierher?«
Sie zog eine Packung Gauloises-Tabak aus der Tasche und drehte sich eine Zigarette. »Gute Frage. Ich mochte Wilma ... lass mich sagen, ich mag Wilma. Ich weiß, dass sie was mit Albert hatte, als ich und die Kinder noch nicht hier waren. Ich weiß das von Wilma, sie hat mit mir darüber gesprochen. Sie wollte sich entschuldigen, Albert hatte natürlich nicht erzählt, dass Frau und Kinder nachkommen. So ist er nun mal, der Albert. Heute hat er sich
Weitere Kostenlose Bücher