Eifel-Sturm
Raum, ihr Schlafzimmer. Der Rest dieser Ebene war ein alter Heuboden, von dem ich wusste, dass Wilma ihn noch hatte ausbauen wollen. Ich erinnerte mich an ihre Worte: »Weißt du, ich wünsch mir einen Riesengammelraum, in dem nichts von Arbeit zu sehen ist, nur sinnlose, aber bequeme Dinge. Und ein Kamin.« In diesem Punkt hatten wir den gleichen Geschmack, nur hatten die Götter meinen Gammelraum abgefackelt.
Das Bett war groß, aus Kiefernholz und handgemacht, zwei mal zwei Meter, bezogen mit lustigem rotkarierten Bauernstoff. Und überall, an allen Rändern dieses Bettes lagen Bücher, die meisten aufgeschlagen oder mit eingelegten Zetteln versehen. Es gab Sachbücher, die sich mit Windenergie oder ganz allgemein mit alternativen Energien befassten, das meiste aber waren Romane. Automatisch zählte ich die Bücher, es waren dreiundzwanzig.
Offensichtlich hatten die Kriminalbeamten diesen Raum überhaupt noch nicht betreten, denn zu vieles deutete auf eine Unordnung ä la Wilma hin, nicht auf eine Durchsuchung.
Das, wonach ich zunächst Ausschau hielt, war eine Handtasche oder ein kleiner Rucksack. Mein Gedanke war, dass Menschen wie Wilma nur sehr wenige Dinge in wirklich intimem Gebrauch haben, weil sie großzügig sind und nahezu allen Besuchern ihre Häuser gänzlich öffnen. Die Erfahrung lehrt, dass diese Menschen Tagebücher, wenn sie überhaupt eines führen, mit sich herumtragen, und zwar immer im selben Gepäckstück, das sie auch mitnehmen, wenn sie unterwegs sind. Und als Landtagsabgeordnete war Wilma Bruns viel unterwegs gewesen.
Ich suchte vergebens, ich fand nichts dergleichen und dachte dann an ihr Auto. Sie hatte wahrscheinlich eine Handtasche im Wagen gehabt. Dann befand sich die Tasche nun in den Händen der Kripo.
Es lag eine Menge getragener Kleidungsstücke, Pullover, Blusen und Unterwäsche auf dem Boden und auf zwei Stühlen, aber nirgendwo in diesem Raum entdeckte ich auf Anhieb irgendwelche Unterlagen. Es gab hier auch keinen Tisch, an dem Wilma hätte schreiben können.
Ich sah auch im Badezimmer nach, weil es denkbar war, dass Wilma in der Badewanne gesessen und etwas aufgeschrieben hatte. Auch hier fand ich nichts.
Dann hörte ich deutlich ein Winseln. Der Hund! Es gab einen kleinen Hund, eine Welpe! Wie hieß er noch? Wilma hatte erwähnt, dass er ihr Beschützer sei. Richtig, Cisco!
Ich rief laut: »Cisco!« und rannte die Treppe hinab. Eine Sekunde lang dachte ich wütend: Wie konnten die Kriminalbeamten den kleinen Hund alleine lassen? Das Fiepsen wurde lauter und ging in eine helles Gebell über. Es wurde begleitet von einem scharfen Scharren, der Hund kratzte an einem Türblatt. Es war eine schmale Tür in der Küche, die ich bisher nicht beachtet hatte. Ich öffnete sie und der kleine Hund wischte hinaus und vor lauter Aufregung und Freude pinkelte er mit beachtlicher Kraft, während er an mir hochsprang, als sei ich Papi persönlich. Tränen der Freude. Da ich mit Tieren grundsätzlich so spreche, als hätte ich Artgenossen vor mir, hielt ich ihm sofort einen Vortrag über seinen neuen Lebensabschnitt, der ohne sein Wissen begonnen hatte. »Du bist ein armes Schwein, Cisco, du weißt es nur noch nicht. Frauchen hat sich auf die letzte Reise begeben und konnte dir nicht Bescheid sagen. Das ist traurig, aber nicht zu ändern. Ich werde dir also zu fressen geben, dann werde ich noch eine Weile bei dir bleiben und dann telefoniere ich mit der Mama deines Frauchens. Die wird dich holen. Und leck nicht meine Hände und wasch mir nicht das Gesicht, da bleibe ich ganz hart.«
Er war in einer Abstellkammer gefangen gewesen, in der ein leer gefressener Napf stand und ein altes, dickes Kissen lag. Der Raum hatte kein Fenster und vermutlich hatte Wilma damit erreichen wollen, dass sich das Tier an das Haus gewöhnte und immer wieder zurückkam. Ein uralter Bauerntrick.
Ich fand eine Dose Hundefutter und füllte den Inhalt in den Napf um. Dazu gab es einen Schluck Wasser. Cisco sah mich an, fand das alles ganz prima und begann, an einem alten Aufnehmer herumzuzerren, der auf dem Boden lag. Von Zeit zu Zeit hielt er inne und schaute mich an, als wollte er sagen: »Na los! Mach mit!« Aber mir war nicht danach.
Wenn Frauen wie Wilma etwas aufschreiben, was benutzen sie? Einen normalen Kalender? War irgendwo ein Kalender? Sie musste einen Timer haben, in dem sie alle ihre Termine eingetragen hatte, aber wahrscheinlich war der in ihrem Auto gefunden worden. Und persönliche Gedanken
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