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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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und Gefühle hätte sie einem solch bürokratischen Stück wohl ohnehin nicht anvertraut.
    Cisco tollte um mich herum und biss sich in meinem rechten Hosenbein fest. Ich löste ihn sanft und nahm ihn auf den Arm. Ich erzählte von meinem Problem. »Sieh mal, sie hat irgendwo was aufgeschrieben, sie war eben eine Aufschreib-Tante. Hast du beobachtet, auf was sie geschrieben hat? Hast du nicht? Böser Hund.«
    Seine Zunge fuhr quer durch mein Gesicht und ich hatte Furcht, er würde gleich erneut in Freudentränen ausbrechen. Also ließ ich ihn wieder laufen.
    Ich drehte mich im Wohnzimmer in Zeitlupe einmal um mich selbst und betrachtete den Raum aufmerksam. Es ist eine Erfahrung, dass man auf diese Art leichter etwas findet, als wenn man sofort beginnt, Schubladen und Regale zu durchstöbern. Ich entdeckte nichts. Dann stieg ich wieder die Treppe hinauf in das Schlafzimmer. Jetzt suchte ich etwas anderes als einen Kalender oder etwas Ähnliches. Jetzt suchte ich erst mal einen Kugelschreiber, einen Füllfederhalter, einen Bleistift, irgendetwas, mit dem sie hatte schreiben können.
    Die Anordnung in ihrem Bett war eindeutig: Sie hatte nicht unbedingt mit dem Kopf am Kopfende des Bettes gelegen, auch nicht quer auf dem Bett oder mit den Füßen nach oben auf den Kissen. Sie hatte sich wahrscheinlich nach Lust und Laune, je nachdem, welches Buch sie gerade reizte, hingelegt. Es gab nur einen Nachttisch, einen kleinen, aus massiver Buche geschnittenen Holzblock ohne Schublade. Auf dem standen ein Telefon und ein Wecker – ein Schreibutensil sah ich nicht. Aber am Fußende des Bettes stand auf der Fensterseite ein kleines Tablett. Auf dem Tablett befanden sich ein kleines Schnapsglas, ein Weinglas, eine Kaffeetasse – alle leer. Daneben ein voller Aschenbecher, ein Päckchen Tabak, ein Päckchen Zigarettenpapier. Und halb verdeckt von dem Tabak ein Füllhalter. Ich bewegte mich nicht, als könne das Schreibgerät davonfliegen.
    »Hör zu, Hund«, sagte ich, »da liegt ein Füller, da muss sie geschrieben haben. Wenn sie da gelegen hat, um zu schreiben, dann muss sie ...«
    Nun war es einfach, eines der Bücher hatte einen sattschwarzen Einband aus Leinen, ohne jeden Aufdruck. Es war kein normales Buch, sondern eines mit lauter Leerseiten. Von Rezepten bis hin zu Liebesbriefen – alles konnte man darin festhalten und sammeln.
    »Hund«, sagte ich, »jetzt brauchen wir nur noch Glück!«
    Das hatte ich. Die erste Seite begann mit den Worten: Ich möchte wissen, wie wir den Hollerather erklären sollen, weshalb das Projekt schon gestorben ist? Was, um Gottes willen, ist mit}. D. eigentlich los? Wilmas Schrift war großzügig und schwungvoll; sie hatte kein Datum eingetragen. Auf der Seite gegenüber stand: Ich bin mir durchaus nicht klar, ob ich diese Art von Karriere eigentlich will. Dann auf der gleichen Seite noch ein Satz: Es klingt ja bescheuert, aber eigentlich möchte ich, dass an meiner Garderobe wieder ein Männerhemd hängt. Ich blätterte um. Mit }. F. telefoniert. Irgendwie ist der gar nicht grün. Oder doch? Ein weiterer Satz auf derselben Seite: /. erklärt mir, er müsse bei Windenergie Pause machen. Es hängt ihm zum Hals raus, sagt er. Er sagt: Wenn du willst, mach weiter. Frage ist: Will ich? Antwort ist: Wahrscheinlich nein! Nächste Seite: Ein süßes Hotelchen für A. Alter Hof, liegt in Berk, nahe Quellgebiet der Kyll. Wieder kein Datum. Dann, noch mal umgeblättert: Sitzungen im Ausschuss in Mainz beschissen langweilig. Fraktion diskutiert und du fragst dich nach vier Stunden, wie eigentlich das Thema lautete. Berlin wäre aufregender.
    Ich überlegte, ob ich das Buch mitnehmen sollte, und entschied mich dagegen. Ich würde Rodenstock darüber informieren, dass es das Buch gab.
    Ich zählte die Eintragungen, es waren insgesamt sechzehn, und legte sie dann unter eine starke Lampe im Wohnzimmer, um sie zu fotografieren. Die letzten Eintragungen lauteten: Wieso gibt A. das Hotelchen zurück? Dann: Ich verstehe nicht, wieso }. sich so aufregt, schließlich ist er kein Hotelier, oder? Und zuletzt: Ich glaube, ich weiß jetzt, was ihn so aufregt. Ich habe begriffen, was eigentlich Sinn der Sache ist. Ikarus scheint wieder zu fliegen. Wann wird er stürzen?
    Wann wird Ikarus stürzen? War das so etwas wie ein Code? Wer war Ikarus? Ich ging langsam die Treppe hinauf, das Buch in der Hand.
    Cisco hatte sich auf Wilmas Bett zurückgezogen und betrachtete mich gelassen. Als ich mich auf das Bett setzte und

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