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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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sofort hin. Der Junge ist im Augenblick offen wie ein Scheunentor.«
    »Schon verstanden. Bis später.«
    Ich war ein wenig erschöpft, setzte mich in mein Auto und rollte gemächlich Richtung Heimat. Der Sommer schien sich mal wieder zu verstecken, der Himmel war ein graues Meer, es war kühl, der Wind kam aus Nordost und trieb abgerissene Blätter vor sich her.
    Auf der Kreuzung hinter Niederehe, wo es links nach Nohn geht, lag rechts der Fahrbahn ein Dachs. Ich hielt an und ging neben ihm in die Knie. Wahrscheinlich war er nachts schnüffelnd, in seinem typischen Gang und mit gesenktem Kopf umhergestrichen und dann von einem Autofahrer erwischt worden. Als ich meine Hand auf ihn legte, glaubte ich, seine Körperwärme sei noch nicht erloschen. Aber das war wohl eher Hoffnung als Tatsache.
    Ich beschloss, in Heyroth Stopp zu machen.
    »Habt ihr einen Kaffee für mich?«, fragte ich Emma.
    »Ich mache dir einen«, sagte sie mit der Beamtenstimme, die sie hören ließ, wenn irgendetwas schief gelaufen war.
    »Rodenstock grummelt, er findet die Welt öde.«
    Rodenstock saß an seinem Tisch, hatte schon wieder eine Unmenge von Zetteln vor sich liegen, ein Handy und das Festnetztelefon. Er nickte mir wortlos zu.
    »Ich dachte, du willst in den Fall einsteigen. Stattdessen sieht das hier nach einer mallorquinischen Buchhaltung aus.«
    »Ich fühle mich nicht gut«, stellte er muffig fest. »Kommst du voran?«
    »Ich vermute, dass die Kinder tatsächlich was wissen.«
    Emma kam mit der Kaffeekanne und goss mir ein.
    »Morgen ist Wahl und Isabell Kreuter wird gewinnen«, sagte Rodenstock wahrscheinlich in dem Versuch, seine Laune zu verbessern.
    »Trink einen Kognak und iss ein bisschen Schokolade«, murmelte ich. »Was macht denn Mallorca?«
    »Die Insel dümpelt vor sich hin«, erklärte Emma bissig.
    »Ihr seid alle Ignoranten«, schimpfte er. »Wenn ich das Rad zurückdrehe und keinen Ersatzmann für meinen Vertrag finde, verliere ich vierzigtausend Euro!«
    »Oha!«, sagte ich. »Wie konnte es denn so weit kommen?«
    »Ich weiß nicht genau«, sagte er in einem Anflug von Nachdenklichkeit.
    »Er weiß es sehr wohl!«, widersprach Emma scharf. »Er hat angefangen zu schweigen. Wahrscheinlich Altersmelancholie. Und dann erschien ihm auf einmal Mallorca wie die Lösung aller menschlichen Probleme. Aber gesagt hat er immer noch nichts.«
    Einen Moment herrschte Schweigen, dann gab Rodenstock zu: »Ich komme mir manchmal furchtbar einsam vor.«
    Er warf beide Hände in die Luft. »Emma hat ihre Familie, sie braucht niemanden. Emma telefoniert mit London, mit Washington, mit Buenos Aires, Emma redet mit Tante Walburga, mit Onkel Sam, mit Nichte Nicole in Stockholm, mit Großonkel Meierseel in Neuseeland. Immer ist irgendetwas los und sei es auch nur die Bronchitis von Tante Wiltrud in New York. Daneben kommst du dir schnell beschissen vor, dein Leben zerrinnt dir zwischen den Fingern.«
    »Warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen?«, fragte sie.
    »Weil … weil ich das nicht konnte«, sagte er. »Ich kriege einfach die Zähne nicht auseinander.«
    »Wow«, murmelte ich ehrfurchtsvoll. »Der Herr Kriminalrat a. D. gibt eine Schwäche zu.«
    Unvermittelt erinnerte ich mich an etwas, was eigentlich immer Rodenstocks Part gewesen war. »Darf ich die zwei Bilder da vorübergehend abhängen?«
    »Was soll das werden?«, fragte Rodenstock misstrauisch.
    »Klar, kein Problem!«, rief Emma hell und stellte fest:
    »Du brauchst wahrscheinlich Packpapier.«
    »Richtig. Und einen dicken Filzschreiber. Vor allem brauche ich eure Gehirne, falls sie sich nicht noch auf Mallorca befinden.«
    Emma brachte das Gewünschte und eine Rolle schmales Klebeband. Sie werkelte schnell und gezielt.
    »Wir kleben mal zwei Bahnen nebeneinander. Ja, so ist das schon gut. In das linke untere Viertel schreiben wir Innenstadt. Dann rechts in der Mitte der Bogen der Straße Am Blindert. Dreihundert Meter darüber, also ungefähr hier, ist der Amor-Busch. Dahinter der Stadtforst. Links, ungefähr auf gleicher Höhe wie Annegrets Zuhause befinden sich nebeneinander die Elternhäuser von Bernard Paulus, Anke Klausen und Kevin Schmitz. Dann hier das Durcheinander der alten Stadtmitte mit den verrückt geschnittenen Grundstücken, mit dem Pfad, den die Kinder immer nehmen.«
    »Wann ist sie getötet worden?«, fragte Emma.
    »Zwischen dreizehn und vierzehn Uhr. Wahrscheinlich eher gegen vierzehn Uhr«, sagte Rodenstock.
    Ich notierte vierzehn

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