Eifel-Träume
kann. Also: Es gibt tatsächlich übereinstimmende Spuren. Was sind das für Spuren? Nun, zunächst sind es Eier der Schmeißfliege, in diesem Fall der grün schillernden Lucilia caesar, die so genannte Kaiser-Goldfliege. Maden, und zwar lebende Maden, habe ich hier unter Steinchen und Erdbröckchen entdeckt. Sie verkriechen sich, sie mögen kein Licht und sie mögen keine Nässe. Meine Assistentin hat die gleichen Maden im Mund der Toten entdeckt. Es handelt sich also um Leicheninsekten, eben Schmeißfliegenlarven. Das nimmt dich doch mit, nicht wahr?«
»Ich gebe zu, es ist schwierig, so kühl zu bleiben wie du.«
»Ich habe das Alter der Maden bestimmt, und zwar indem ich die Länge gemessen habe. Und diese Länge habe ich mit dem so genannten Isomegalen-Diagramm verglichen. Die Maden hier sind ungefähr zweiundsiebzig Stunden alt gewesen. Das verweist auf Donnerstagmittag und bedeutet, dass das der ungefähre Besiedlungszeitpunkt der Leiche ist. Aber ob das auch der Todeszeitpunkt ist, weiß ich natürlich nicht.« Er grinste leicht. »Die Leiche könnte ja auch zehn Jahre lang eingefroren gewesen sein und ich hätte dann nur die Zeitspanne bestimmt, wie lange die Leiche aufgetaut im Freien gelegen hat. Das macht aber klar, wie schwierig das Ganze ist.«
»Wie lange dauert es denn eigentlich, bis Fliegen bei so einer Leiche auftauchen und ihre Eier ablegen?«
»Die Tote hatte eine ziemlich schwere, blutende Wunde am Kopf. In so einem Fall dauert das bei Tageslicht und warmer Witterung nur Minuten. Die weiblichen schwangeren Schmeißfliegen kommen und legen ihre Eier in Paketen ab, je Paket etwa zweihundert Eier. Solche Pakete, die die Dusche überstanden haben, hat meine Assistentin im Haar der Toten gefunden.«
»Und woher weißt du, dass es diese grün schillernde Goldfliege war? Ich dachte immer, eine Made sieht wie die andere aus.«
»O nein. Die Maden verschiedener Fliegen haben verschiedene Längen. Normalerweise nehme ich die Maden mit zu mir nach Hause und bringe sie in einem alten Gurkenglas zum Schlüpfen. Aber hier hatte ich wegen der Dringlichkeit der Antworten diese Möglichkeit nicht und habe zu einem anderen Hilfsmittel gegriffen. Unter dem Vergrößerungsgerät habe ich mit einer Mikroschere die Mundwerkzeuge einer Made herausgeschnitten. Falls du technische Angaben willst: Das Vergrößerungsgerät heißt Leica MZ 12.5. Das Herausschneiden der Mundwerkzeuge ist eine widerliche Arbeit, aber sie bringt schnell Klarheit, was für eine Fliegenart aus der Made geworden wäre. Übrigens war der Magen dieser Tiere geleert, weil sie sich schon auf die kommende Verpuppung eingestellt hatten. Sie fressen dann nämlich nicht mehr. Auch diese Feststellung hilft dabei zu bestimmen, wie lange die Leiche besiedelt war. Also Länge der Made, Mundwerkzeuge und Zustand des Magens – diese drei Komponenten ergeben ordentliche wissenschaftliche Hinweise.«
»Gut. Du hast also die Bestätigung, dass Donnerstagmittag die Todeszeit ist. Weißt du was über den Tatverlauf?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe es mit Irritationen zu tun, einige Spuren kann ich nicht einordnen, ich weiß nicht, ob die überhaupt mit der Tat in Zusammenhang stehen. Sicher ist: Dieses kleine Wäldchen ist sozusagen dauernd überbevölkert. Es gibt unglaublich viele Hinweise auf Menschen, und bis jetzt ist es mir unmöglich zu unterscheiden, wann welche Spur entstanden ist.«
»Was sind denn das für Spuren?«
»Nun, es gibt Fahrrad-, Moped- und Motorradspuren, alte Spuren, neue Spuren, überlagerte Spuren, verwischte Spuren, winzige Teilchen von Plastik, von denen ich nicht weiß, woher sie stammen. In diesem Busch muss ein reger Verkehr herrschen. Kischkewitz sagte mir, das Wäldchen wird Amor-Busch genannt – das ist eindeutig schon seit Jahren ein Treffpunkt von Liebespärchen. Das verwirrt und erst langsam kann daraus ein Bild entstehen.«
»Du hast vorhin erzählt, du hast deine Assistentin in die Rechtsmedizin nach Mainz geschickt, um die Leiche vor der Obduktion zu retten, und sie hat die gleichen Fliegeneier wie du gefunden. Hat sie noch etwas entdecken können? Was ist zum Beispiel mit Sperma?«
»Ja, in der Tat hat sie Sperma gefunden. Und zwar auf der Haut des Mädchens. Die Spermien haben den Duschvorgang ebenfalls überlebt. Und da ich deine nächste Frage schon ahne, antworte ich: Das Sperma auf der Haut der Toten ist deckungsgleich mit den Spermien, die ich hier gefunden habe, stammen also von demselben Mann.
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