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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Zugezogene sind, die die Stille und die Stimmung des ›Es passiert sowieso nix‹ lieben. In dieser Umgebung war die Frau todsicher das Zentrum der gehobenen Gesellschaft. Und so trat sie auch auf.
    Sie war um die fünfzig und ein beachtlicher Brocken mit einem ungeheuren Busen, der wie ein geräumiger Doppelbalkon wirkte. Er war bedeckt von einem schwarzen Pulli, in den aus Silberfäden astrologische Muster eingearbeitet waren. Darüber hing an einer mächtigen Kette eine silberne Mondsichel. Ihre Figur erinnerte an einen umgekehrten Tropfen, sie fiel gewissermaßen nach unten stark ab. Der schwarze Rock war etwas zu kurz, die Beine stämmig, die Schuhe waren hellbraun und von der Art, die nach vorn nicht aufzuhören scheint. Die Vorstellung, diese Füße seien sanft und klein, war unmöglich. Das Gesicht der Frau war grob und rund und vollkommen zugeschminkt. Die Augen dunkel, klein und hart wie Kieselsteine, die Lippen überzogen, grellrot. Das Haar ein schwarzes Gebirge, erhaben und ohne jeden Hauch von Alterssilber. Sie trug an jedem Finger der Hand mindestens einen Ring. Die Frau hatte etwas von einer überfüllten Litfaßsäule.
    »Kommen Sie rein«, sagte sie mit einer Stimme, die rau und tief klang.
    Sie ging vor mir her in einen vollkommen überladenen Raum. Möbel, deren Sinn sich nicht in jedem Fall erschloss, erinnerten an ein Lager voller Tinnef. Schwere Vorhänge aus tiefrotem Samt vor den Fenstern ließen nur wenig Licht in den Raum. Gertrud Olschowski setzte sich an einen kleinen, zierlichen Schreibtisch, hinter ihrem Kopf hing in einem einfachen Glasrahmen ein Zeitungsausschnitt mit der Überschrift: Prominente lassen ihre Zukunft vorhersehen.
    »Sagen Sie mir, weshalb Sie kommen«, bestimmte sie.
    »Nein, halt, sagen Sie es mir nicht. Ich sage Ihnen, dass Sie kommen, weil Sie etwas über Ihr Leben in der Zukunft hören wollen.«
    »Das ist absolut richtig«, nickte ich.
    »Und Sie sind verunsichert, weil Sie verschiedene Menschen in Ihrer Umgebung nicht einschätzen können.«
    »Das ist auch sehr richtig«, wiederholte ich.
    »Und Ihr Immunsystem ist stark geschwächt.«
    »Das nehme ich an. Jedenfalls geht es mir gesundheitlich nicht gut.«
    »Kommt der Mord an Annegret Darscheid hinzu, der Sie berührt.«
    »Das ist richtig. Ich muss darüber berichten.«
    »Ich kann Ihnen als Fachfrau der Astrologie etwas sagen. Oder ich kann Ihnen aus meinen Karten lesen.«
    »Beides, bitte.«
    »Das kostet dann einhundert.«
    »Das ist mir die Sache wert.«
    Sie nahm einen Packen Tarotkarten auf, mischte sie umständlich und gründlich. Dann begann sie die Karten vor sich abzulegen.
    »Haben Sie eine spezielle Frage?«
    »O ja. Wird der Mord an dem Kind aufgeklärt?«
    »Durchaus. Aber es wird sehr lange dauern. Und ich sehe Schatten.«
    »Was, bitte, sind Schatten?«
    »Schatten sind undeutliche Figuren, Menschen, die sich nicht zu erkennen geben.«
    »Was bedeutet das?«
    »Der, der mordete, handelte im Auftrag einer teuflischen Macht.« Die Karten glitten ihr sehr schnell durch die Finger, sie war geübt.
    »Was könnte das sein?«
    »Nun, man sagt, dass Menschen nicht böse und nicht gut sind. Menschen sind immer eine Mischung aus böse und gut. Dabei wird aus Angst nicht erwähnt, dass es tatsächlich böse Menschen gibt, von Grund auf böse Charaktere.«
    »Und die wollten den Tod der kleinen Annegret?«
    »Ja.«
    »Und sie beauftragten einen Mörder?«
    »Beauftragen ist in diesem Sinne nicht mit einem wörtlichen Auftrag zu bezeichnen. Es kann sein, dass der Mörder gedanklich beeinflusst wurde. Er stand im Zwang zu gehorchen.«
    Sehr geschickt, dachte ich. »Kann es nicht auch eine Frau gewesen sein?«
    »Eher unwahrscheinlich. Außerdem ist bekannt, dass Sperma gefunden wurde.«
    »Woher wissen Sie denn das?«
    »Aus der Zeitung von heute.« Die Frau blieb kühl und sachlich, sie verriet viel Erfahrung mit Menschen.
    »Ich weiß, und zwar nicht aus der Zeitung, dass Sie von schwarzen Messen gesprochen haben. Wie kommen Sie darauf?«
    »Dachte ich es mir doch, dass Sie nur darauf hinauswollen«, sagte sie zufrieden.
    »Nein, nein«, widersprach ich aggressiv. Ich legte einen Hunderteuroschein auf das Tischchen. »Ich will schon mehr wissen. Und auch etwas über mich.«
    Sie steckte in der Falle und wusste es.
    Ich gab ihr eine Hilfe, ich wollte, dass sie zu reden begann. »Sehen Sie, eine der Mütter, die am Mordtag ihr Kind zu Hause erwartete, hat behauptet, das Kind sei um 12.45 Uhr zu Hause

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