Eifel-Träume
unter den Tisch hatte fallen lassen. »Ich hörte von so etwas wie einer Bürgerwehr nach dem Motto ›Schützt unsere Kinder, die Polizei kann es nicht‹. Was ist mit der? Gibt’s die noch?«
Tenhagens Mund wurde breit. »Diese Scheißmöchtegernpolitiker! Da gibt es einen Kaufmann, Josef Hövel, der hat einen Verein gegründet. Mündige Bürger für Hildenstein heißt der. Dieser Hövel will wohl partout eine Rolle spielen und hat auf so etwas wie den Mord an Annegret nur gewartet. Schon lange scharen sich um ihn noch ein paar andere Großmäuler. Jeden Tag sitzen die in einer Kneipe namens Deutsche Eiche und trinken auf Hövels Kosten. Hövel schwingt dabei so Reden wie: Wir werden irgendwann an der Macht sein, haltet euch bereit! Das ist so platt, das tut schon richtig weh. Aber solche Erscheinungen sind ja immer platt … Jedenfalls ist Kischkewitz eingeschritten und hat der Stammtischrunde mit dem Oberstaatsanwalt gedroht, wenn sie mit ihrer Hetze nicht aufhören. Seitdem ist Ruhe, die so genannte Bürgerwehr war einmal. Allerdings werden sie wohl bei der nächsten Schweinerei wieder aus ihren Löchern kriechen.«
Ich nickte ihm zum Abschied zu. Ich war hundemüde und fuhr nach Hause, wollte nicht weiter nachdenken, weil ich den Verdacht hatte, das sei ohnehin bestenfalls verwirrend. Ich wollte nur noch unter die Decke des Schlafes kriechen.
Aber ich konnte nicht schlafen. Und erst jetzt fiel mir auf, dass Rainer Darscheid nicht mehr da war. Vielleicht hatte er sich von seiner Frau abholen lassen, vielleicht konnten sie nun miteinander reden. Das Bettzeug lag unbenutzt auf einem Sessel.
Irgendwann muss ich bei laufendem Fernseher mal wieder auf dem Sofa eingeschlafen sein. Als Clarissa sich über mich beugte und vorwurfsvoll »Väterchen! Väterchen!« sagte, war es zwölf Uhr mittags.
»Ich bin gekommen, weil ich neue Klamotten brauche. Ich habe eben mit Emma Tante Anni vom Krankenhaus abgeholt. Das ist ja vielleicht eine scharfe Type.«
»Wenn du ihr das sagst, freut sie sich. Gibt es sonst was Neues?«
»Nein, weiß ich nicht. Mir war gar nicht klar, dass die Eifel so voller ungewollter Leichen steckt. Das ist ja richtig cool. Ich mach dir jetzt ein Frühstück.«
»Das ist die beste Nachricht des Tages. Wie geht es dir denn?«
»Ich habe eben noch zu Matthias gesagt, dass München mir eigentlich zum Hals raushängt. Matthias ist ein Freund aus München. Und Mami weiß schon Bescheid, dass ich ein paar Tage länger bleibe.«
»Da wird sich die Eifel aber freuen. Ich muss duschen, ich stinke.« Ich rappelte mich hoch und wankte die Treppe hinauf ins Badezimmer. Dort rammte ich mir die Ecke meiner Badewanne ans Schienbein und war endgültig wach.
Als ich mich rasierte, kam mein Hund herein, freute sich über meinen Anblick und legte sich dann auf den Flausch vor der Wanne.
»Wir kommen nicht weiter«, erzählte ich ihm. »Wir haben die tote Annegret und nicht die Spur eines Mörders. Es gibt ein wenig Dreck in der Politik, aber auch das führt wohl nicht weiter. Dazu kommen ein Selbstmörder und ein weiteres Mordopfer, die ich beide irgendwie mochte. Jetzt stehen wir vor einer Wand ohne Tür.«
Mein Hund japste Zustimmung.
Unten waren zwei weibliche Stimmen zu hören, die sich lachend unterhielten und scheinbar mächtig Spaß hatten.
Clarissa hatte den Küchentisch gedeckt und Emma die Arbeitsplatte mit Lebensmitteln belegt.
»Du hattest nichts mehr im Eisschrank«, erklärte sie. Sie sah mich an und strich mir über die Stirn. »Kann es sein, dass du nicht weiterweißt?«
»Das stimmt. Wie geht es Vera?«
»Einigermaßen«, lautete die Antwort. »Nimm dir doch endlich mal Zeit für sie.«
»Die Eier sind fertig«, stellte Clarissa fest. »Komm, Väterchen, damit du groß und stark wirst.«
»Okay«, murmelte Emma. »Dann verschwinde ich wieder.«
Irgendetwas schien sie zu bedrücken, aber ich wollte nicht direkt fragen. Sie würde es mir sagen, wenn die Zeit reif war.
»Grüß Rodenstock schön, er war die letzte Zeit etwas griesgrämig.«
»Ja«, nickte sie und marschierte hinaus.
»Vater frühstückt mit Tochter«, sagte ich händereibend.
»Völlig neue Übung. Frühstückst du manchmal auch mit deiner Mutter?«
»Ja, aber nur selten. Wenn sie in Berlin wohnte, würde ich sie wahrscheinlich öfter sehen. Darf ich dich was fragen?«
»Aber ja, was immer du willst.«
»Was war, als du gesagt hast, du würdest mit dem Saufen aufhören. Wie hat die Familie reagiert?«
»Niemand
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