Eifel-Wasser
waren wohl buchstäblich mit der Lupe in der Hand vorgegangen.
Cisco schnüffelte in schierer Lebenslust schnell und hektisch herum, bellte ohne ersichtlichen Grund, schoss heran, wollte sich kraulen lassen, hatte aber keine Zeit dazu, weil ihn irgendetwas aufs Neue faszinierte.
Vera stand vor der Steilwand. »Das muss einen wichtigen Grund gehabt haben ...«
»Auf was bist du aus?«
»Auf denjenigen, der das Richtmikrofon mit sich herumschleppte.«
»Das sieht alles ganz anders aus, wenn einfach ein Naturbeobachter das Kabel verloren hat, der die Rufe von Singvögeln aufnehmen wollte.«
Sie lächelte flüchtig. »Nicht bei Regen, Baumeister. Da singen sie nämlich nicht.« Dann fragte sie: »Breidenbach hatte einen Samenerguss. Heißt das, dass er eine Geliebte hatte, mit der er sich hier traf?«
»Das ist ja wohl wahrscheinlich«, sagte ich.
»Wenn das stimmt, dann könnte das bedeuten, dass da oben einer mit Richtmikrofon gestanden hat, um für dieses außereheliche Verhältnis einen Beweis zu erbringen. Zum Beispiel ein beauftragter Detektiv. Stimmst du zu?«
»Unbedingt. Obwohl – das erklärt ein paar Dinge nicht. Erstens ist der Besitzer des verlorenen kleinen Fingers nur schwer in diese Theorie einzupassen. Zweitens erklärt es nicht, warum das Zelt versetzt und mit Zangen zerfetzt wurde, und drittens ...«
»Der Besitzer des abgequetschten kleinen Fingers passt sehr wohl«, unterbrach mich Vera. »Nimm einmal an, Breidenbach hatte eine Geliebte. Und die Geliebte war genau wie er verheiratet. Dann könnte der Finger von ihrem Ehemann stammen, der hier aufkreuzte – ein banaler Ehebruch und der Krieg der Rivalen.«
»Möglich«, bestätigte ich nach kurzem Nachdenken. »Aber dann würde ich annehmen, dass der Ehemann nicht mehr lebt. Das heißt, dann müsste irgendwo seine Leiche liegen. Dann heißt das weiter, dass die Leiche dieses unbekannten Ehemannes aus dem Steinbruch weggeschafft wurde. Aber von wem? Hat Breidenbach vor seinem Tod den Ehemann umgebracht, die Leiche entsorgt und ist anschließend von jemand anderem erschlagen worden? Verstehst du, was ich damit andeuten will? Du kannst den Reigen bis ins Unendliche fortsetzen. Was wissen wir denn sicher? Sicher ist nur, dass Breidenbach nachts um zwei Uhr starb. Dass er vor seinem Tod einen Orgasmus gehabt hat. Dass dort oben jemand mit einem Richtmikrofon postiert war. Dass ein Unbekannter einen kleinen Finger verloren hat. Dass Breidenbachs Zelt um einige Meter versetzt und zerstört wurde. Mich interessiert nun: Warum trifft er die Geliebte hier?«
»Weil es ihm sicher erscheint«, antwortete Vera. »Warum kein Zelt? Vielleicht mochten er und die Frau das, vielleicht gab ihnen das einen Thrill. Vielleicht sollten wir eine Frau mit Mountainbike ausfindig machen?«
»Das bleibt für mich rätselhaft. Wenn man an die Mosel fährt oder ein paar Kilometer weiter in den Hunsrück, trifft man auf kleine Hotels und Pensionen, wo einen kein Mensch kennt.«
Cisco bellte plötzlich, schoss an uns vorbei über das Plateau in den Einschnitt und hechelte dann in den steilen Waldhang des Felsrückens.
»Da oben ist jemand«, sagte ich. »Gehen wir nachsehen.«
»Ich will keinen Frühsport am Abend«, protestierte Vera schwach. »Ich will ein Glas Sekt und dann ins Bett.«
»Keine Gedanken an Unsittliches. Und es ist erst Nachmittag, meine Liebe«, tadelte ich.
Wir machten uns an den steilen Aufstieg, zogen uns von Baum zu Baum hoch und gerieten sehr bald ins Keuchen. Als wir oben angekommen waren, mussten wir erst einmal verschnaufen. Dann bemerkten wir das Auto und hörten, dass Cisco begeistert kläffte. Er spielte mit einem Mann, der offensichtlich großen Spaß an meinem Hund hatte.
»Ich weiß nicht, was du denkst, aber ich denke ...« Vera vollendete ihre Aussage nicht.
Der Mann war hünenhaft, an die zwei Meter groß, um die fünfundzwanzig Jahre alt, breitschultrig und hellblond. Er hatte das Haar im Nacken zu einem Schwanz gebunden und trug schwarze Lederhosen und ein schwarzes T-Shirt. Sein Gesicht war wie gemeißelt und das Ergebnis von reichlich Hähnchenbraterei. Er war so die Sorte, vor der alle Ehemänner Angst haben. Aber er lächelte uns freundlich an. Mit tiefer, verräucherter Stimme sagte er: »Das ist aber ungewöhnlich, hier Menschen zu treffen.«
»Das ist richtig«, entgegnete ich freundlich. »Joggen Sie hier, oder so was?«
»Ganz richtig«, lächelte er.
»Dafür eignet sich das Gelände ja auch sehr gut«, sagte
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