Eifel-Wasser
Gesicht, von der ich mittlerweile der Meinung war, sie rühre von einer Mohrrübensalbe her, wurde er rot vor Wut. Er breitete die Arme aus. Wenn Vera in diese Zange geriet, würde sie schnell die Luft verlieren. Aber er konnte die Zange nicht zumachen, denn sie riss das rechte Knie hoch und erwischte ihn voll in seiner überschäumenden Männlichkeit. Sein Oberkörper klappte vornüber und er stöhnte. Vera nun zog das linke Knie hoch zu seinem Kopf und schlug mit der rechten Handkante in sein Genick. Der Mann stieß einen Grunzlaut aus und fiel auf sein Gesicht.
»Es reicht!«, sagte ich scharf. »Und herzlichen Glückwunsch.« Ich kniete mich neben ihm nieder und suchte in seiner Hose nach den Papieren. Ein schmales Lederetui enthielt seinen Pass und die Papiere für den Wagen. Er hieß Uwe Steirich, war vierundzwanzig Jahre alt, in München geboren. Der Wagen war eingetragen auf eine Firma namens Water Blue mit Sitz in der Gemeinde Bad Bertrich.
»Hast du gedacht, ich trete ihm in die Eingeweide, wenn er auf dem Boden liegt?« Veras Stimme klang aggressiv.
»Nein. Aber du hast die Kontrolle verloren. Und ich glaube, dass sich dein Zorn nicht gegen diesen Kerl da richtet, sondern dass du immer noch wütend auf den Typen bist, der dir die Schwierigkeiten mit deiner Dienststelle eingebrockt hat. Vergiss es endlich! Die Geschichte ist vorbei und das Verfahren eingestellt! Du hast dich extra beurlauben lassen, um die Sache zu verarbeiten. Das finde ich sehr richtig. Aber das darf doch nicht darauf hinauslaufen, dass du jeden, der dir krumm kommt, windelweich prügelst. Deshalb habe ich dich gestoppt. Was ist? Warten wir, bis er wieder zu sich kommt?«
»Wir warten!«, nickte sie dumpf.
Es dauerte ungefähr zwei Minuten, bis er einmal heftig den Kopf schüttelte und dann aufstand. Er musterte uns verkniffen, sagte kein Wort, sondern ging zu seinem Auto. Dabei schlug er sich mit wütenden Bewegungen Blätter und Gräser von der Kleidung.
»Nun haben wir einen Freund fürs Leben«, stellte ich fest, als er weg war. »Komm, wir fahren heim.«
Emma und Rodenstock saßen im Garten und tranken Rotwein.
»Wir hatten Kontakt«, sagte Vera in ihrer Kriposprache und berichtete.
»Ist er ein Schläger?«, fragte Rodenstock.
»Ja«, nickte Vera. »Ich hole mir ein Glas für den Wein. Und du, Baumeister?«
»Wenn noch Kaffee da ist ... Rodenstock, wir müssen an die Öffentlichkeit. Ist dir das klar?«
»Ja«, seufzte er. »Wir haben schon drüber geredet. Kischkewitz gibt morgen eine Pressekonferenz.«
»Will er auch die Leukämie-Spur offen legen?«
»Das entscheidet er morgen früh. Auch ich habe Neuigkeiten: Ich verstehe jetzt, weshalb sich der Breidenbach so unbeliebt bei Leuten machen konnte, die Wasser fördern und verkaufen. Ich habe mich schlau gemacht, ich kenne jemanden vom Wasserwirtschaftsamt in Trier.«
»Das ist doch klar«, sagte ich. »Die haben zu tief gebohrt.«
»Das ist richtig. Aber die Frage ist doch, was daran so kriminell ist. Und das weiß ich jetzt.« Rodenstock wedelte mit der Zigarre Marke Ofenrohr in der Luft herum. »Es ist so, dass es überall in der Eifel Wasservorkommen gibt. Im Wesentlichen in den Kalkmulden. Der Reichtum dieses Landes hier verbirgt sich im Erdinnern. Gucken wir uns nun diese Wasserfirma Water Blue an. Dort gab es alte Brunnenrohre, die bis etwa einhundert Meter Tiefe reichten. Die Rohre waren selbstverständlich nicht mehr einwandfrei, verrottet, zum Teil mit eingedrungenem Erdreich verfüllt. Als das Gelände samt den Schürfrechten an diesen Menschen aus Frankfurt fiel ... wie war doch der Name?«
»Rainer Still«, sagte Vera.
»Richtig«, nickte Rodenstock. »Also, Still erbte das Gelände samt den Schürfrechten und stellte den Antrag, wieder Wasser fördern zu dürfen. Er bekam die Genehmigung, weil er nachweisen konnte, dass er Fachleute einstellte, einen Fachbetrieb eröffnen wollte. Es gab keinen Grund für das Wasserwirtschaftsamt, die Genehmigung nicht zu erteilen. Die Bohrungen sind festgeschrieben, sechs Bohrungen auf einer im Voraus bestimmten Fläche, die identisch ist mit der, in der die alten Bohrungen um die Jahrhundertwende vorgenommen worden sind. Das Wasserwirtschaftsamt weiß, dass dort etwa zweihundert Milliarden Kubikmeter in der genannten Tiefe von etwa einhundert Metern liegen. Das Wasser existiert in Wasser führenden Gesteinsschichten, das Einzugsgebiet dieser Quellen ist enorm, sicher dreißig Quadratkilometer groß. Zur besseren
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