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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Fleisch in Aspik gegessen, Schwartemagen, Sülze und so was. Das Zeug ist so eklig glasig. Ich fühle mich wie in Aspik. Hast du Zigaretten dabei?«
    »Nein. Nur eine Pfeife. Willst du mal Pfeife rauchen?«
    »Klar, warum nicht.«
    Ich stopfte ihr eine ganz kleine Pfeife von Big Ben.
    »Das Blöde ist«, sagte sie seltsam heiter, »dass ich auch noch meine Tage gekriegt habe. Ich habe nichts bei mir.«
    Ich reichte ihr ein Päckchen Papiertaschentücher, die ich in der Weste bei mir trug. »Das wird etwas helfen.«
    Sie sagte artig danke und ging ein paar Schritte in den Wald hinein hangabwärts. Mir stockte der Atem, als ich mir vorstellte, sie würde zwanzig Schritte auf den Felsen hinauflaufen und dann springen. Aber sie kehrte zu mir zurück und sagte: »Wenn ich die Tücher behalten kann ... das wäre gut.«
    »Na sicher.«
    Sie setzte sich neben mich auf einen dicken trockenen Ast. »Hast du Kinder?«
    »Nein. Ich habe keine Familie. Manchmal wünsche ich mir eine.«
    »Würdest du mit denen reden? Mein Vater hat nicht mit uns geredet. Abi Schwanitz hat mir gesagt, mein Vater sei eine schwule Sau. Von andern habe ich das auch gehört. Ich wusste, sie haben vielleicht Recht, aber so etwas durften sie nicht sagen.«
    »Was war mit deinem Bruder? Habt ihr denn auch nicht miteinander geredet?«
    »Nein, eigentlich nicht. Manchmal machte er so Andeutungen. Messerich sei auch ein Schwein. Messerich ist tot.«
    Ich hielt den Atem an, mir war schlecht. Wenn sie wusste, dass Messerich tot war, dann gab es an dieser Stelle vielleicht eine Tür zu ihrer Seele.
    »Ja, das ist richtig«, sagte ich etwas zittrig.
    »Stimmt das, dass Abi dir die Zähne eingeschlagen hat?«
    »Das ist wahr«, nickte ich. »Seitdem trage ich Kunststoff im Maul. Es war ziemlich schmerzhaft. Und es ist noch nicht ganz verheilt und tut jetzt noch manchmal weh. Aber Abi hat bei allen möglichen Gelegenheiten zugeschlagen. Er schlägt sich sozusagen durchs Leben.«
    Sie grinste und legte sich ebenfalls auf den Rücken, die Arme ganz locker ausgestreckt. »Du wirst die Bullen nicht rufen?«
    »Nein, das werde ich nicht.«
    »Was soll ich denn jetzt machen? Nach Hause will ich nicht mehr.«
    »Das kann ich verstehen. Vielleicht hast du eine Freundin oder einen Freund, bei dem du leben kannst?«
    »Nein.« Sie kaute auf einem Grashalm herum.
    »Das wird sich alles finden«, sagte ich behutsam. »Es wird einen Ort geben, an dem du frei leben kannst. Jedenfalls wollen das alle, die von der Geschichte wissen. Du wirst Unterstützung bekommen.«
    »Aber sie wissen nichts von meinen Schmerzen.«
    »Nein, aber vielleicht können sie es lernen.«
    »Wenn wir zu einer Kneipe gehen, würdest du mir was zu essen kaufen?«
    »Klar.«
    »Du hast ein Handy dabei und rufst die Bullen.« Jetzt war ihr Mund verkniffen.
    Ich zog das Handy aus der Tasche und warf es weit den Hang hinunter. »Ich rufe niemanden.«
    »Sollen wir dann jetzt losgehen?«, fragte sie. Aber sie stand nicht auf, bewegte sich nicht einmal.
    Nach einer Weile begann sie zu erzählen, als sei ich nicht da. »Wir sind an dem Abend zum Steinbruch, weil wir mit meinem Vater sprechen wollten. Wir wollten ihm sagen, was er alles kaputtgemacht hat und dass er abhauen soll, möglichst weit weg von uns. Es war furchtbar. Es regnete und wir sahen, dass er nicht allein war. Er sprach mit jemandem. Mit Messerich. Der war mit im Zelt. Heiner zog das Zelttuch weg. Und da lagen sie ... und sie machten es. Es war so was von schlimm, es war total das furchtbarste Gefühl, das ich je hatte.« Sie zupfte einen neuen Grashalm aus einem Moosplacken und nahm ihn in den Mund. »Und dann stürmte Messerich raus und brüllte, wir sollten abhauen, das sei ... das sei nichts für kleine Kinder aus der Eifel. Und dann nahm Heiner einen Stein und schlug zu. Messerich versuchte sich wehren, aber Heiner war wie von Sinnen. Mein Vater stand völlig starr daneben. Dann war Messerich tot und mein Vater begann zu schreien. Wir sollten weggehen. Sein Leben ginge uns nichts mehr an. Und er wollte nicht mehr mit uns leben, uns nicht mehr sehen. Wir sollten ihn in Ruhe lassen und wir seien Mörder ... Ja, so war das.« Sie schwieg und wälzte sich herum auf den Bauch.
    Matt sagte ich: »Du brauchst mir das alles nicht zu erzählen, wenn du das nicht willst.«
    Sie hatte nicht zugehört, sie war in ihrer Welt. »Heiner ging auf ihn zu. Ich habe Heiner noch nie so erlebt. Er hatte immer noch den Stein in der Hand. Und mein Vater sah mich

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