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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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auf dem Weg in den alten Kerpener Steinbruch gesehen hat.«
    »Du recherchierst die Breidenbach-Geschichte, nicht wahr? Was ist denn da genau passiert?«
    Er war kein Mann, der Geheimnisse verriet. »Es war Mord«, sagte ich. »Aber das ist noch nicht bekannt und soll es auch nicht werden. Hat die alte Frau Alzheimer oder so was ?«
    »Nein. Sie kann sich an manche Dinge nicht erinnern, weil sie sich nicht erinnern will. Aber Alzheimer hat sie nicht. Sie ist gesünder als du und ich.«
    »Wie kann ich ihr klar machen, was ich wissen will?«
    »Am besten mit Fotos«, sagte er. »Falls du welche hast.«
    Ich dankte ihm und verabschiedete mich. Dann ging ich zurück zu den Frauen.
    Klara sagte gerade nachdenklich: »Ja, Jesus ist meine Zuversicht. Sonntags gehe ich in die Kirche. Aber Kirche ist nicht mehr jeden Sonntag. Manchmal freitags oder samstags. Da gehe ich hin. Manchmal nimmt mich jemand mit dem Auto mit, wenn Messe ist in Walsdorf oder Niederehe oder Nohn. Jesus hilft sehr.« Sie griff Veras Hand: »Komm mal mit.«
    Ich folgte den Frauen in das Haus.
    Auf der Anrichteplatte eines alten Küchenschrankes aus Kiefer war ein kleiner Altar aufgebaut. Es gab die Muttergottes aus Gips in blauem Gewand mit einem grellroten Herzen, um das goldene Strahlen gemalt waren. Daneben einen Jesus in gleicher Größe, ebenfalls mit einem blauen Umhang und ebenfalls mit einem großen goldumrahmten Herzen.
    »Das ist meine kleine Kirche«, erklärte Klara. »Wenn ich hier drin bin, brenne ich eine Kerze an.«
    »Das ist schön«, murmelte Vera und sie meinte es so.
    »Wir brauchen Fotos von den Wagen, die infrage kommen«, erklärte ich ihr halblaut. Dann wandte ich mich an Klara: »Du hast Breidenbach gesehen. Hast du auch einen anderen Menschen gesehen?«
    »Er lag auf den Steinen«, erwiderte sie. »Auf den Steinen, die von oben runtergefallen waren. Er war tot.«
    »Die Steine haben ihn erschlagen«, sagte Vera leise.
    »Nein!« Das klang sehr energisch.
    »Wie denn sonst?«, fragte ich begierig.
    »Die Steine nicht«, sagte sie und wiederholte sich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: »Die Steine nicht.«
    »Warum nicht?«, fragte Vera in die Stille.
    »Weil ...« Sie überlegte, wollte verständlich formulieren und tat sich schwer damit. »Es waren viele Menschen im Bruch. In der Nacht.«
    »Wer?«, fragte ich.
    »Viele Menschen«, sagte sie noch einmal störrisch.
    »Warst du auch im Bruch?«, erkundigte sich Vera.
    »Ich? Ich nicht. Erst am Morgen war ich oben. Ist ja nicht weit. Ich war mit den Ziegen da.«
    »Nenne uns einen Namen. Nur einen Namen«, bat ich.
    »Ich weiß keine Namen«, sagte sie. Aber die Sache machte ihr sichtlich Kummer, ihre Mundwinkel hingen plötzlich herunter, ihre Augen wurden ganz schmal.
    »Sie hält sich raus«, flüsterte Vera. »Sie will nicht.«
    »Glaubst du, dass Breidenbach getötet worden ist?«, fragte ich.
    »Ich weiß nichts. Ich bin eine sehr alte Frau.« Klara starrte auf die Gipsfiguren im Küchenschrank und bewegte die Lippen. Sie betete.
    »Dann wollen wir mal gehen«, sagte Vera. »Dürfen wir wiederkommen?«
    Sie drehte den Kopf zu uns, nickte und wandte sich wieder ihrem Altar zu. Wir waren entlassen.
    Im Wagen stellte Vera fest: »Sie ist sehr wichtig. Sie weiß etwas.«
    »Vermutlich. Wie ich die Verhältnisse hier kenne, war sie irgendwann nachts im Steinbruch. Und später hat sie begriffen, was da ablief. Die Frage ist, ob sie jemals darüber reden wird.«
    »Und wenn du ihr die Geschichte von dem kleinen Finger erzählst?«
    »Das werden wir zu gegebener Zeit tun. Jetzt noch nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil wir erst Fotos brauchen. Von allen Autos, die möglicherweise an ihrem Haus vorbeigefahren sind, um zum Steinbruch zu kommen. Übrigens weiß ich jetzt, wer Peter ist.« Ich berichtete Vera von dem Telefonat mit Detlev Horch.
    »Sie ist ein guter Typ«, kommentierte sie. »Und weißt du, was sie so bewundernswert macht? Sie hat keine Angst. Vor nichts.«
    Ich lenkte den Wagen durch das Tal hoch zum Steinbruch. Wir ließen den Wagen auf der mittleren Ebene stehen.
    Nichts war so, wie wir es vor ein paar Tagen angetroffen hatten. Die Kriminalisten hatten jeden Stein umgedreht, jeden Quadratzentimeter untersucht. Die Lawine war nur noch an den Bruchfeldern in der senkrechten Wand zu erkennen. Von dem Steinhaufen war nichts geblieben als eine weite Fläche umherliegender Steinbrocken. Sie hatten jeden angefasst, genau betrachtet, zurückgelegt, untersucht. Sie

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