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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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mehr als zwei Sauen zu mästen und mehr als zwei Kühe zu halten. Das alte Fachwerk, grau und angefault, war noch in voller Pracht zu sehen.
    »Sie haben hier nicht diese grauslichen Eternit-Platten angebracht. Das bedeutet, die Bewohner hatten kein Geld. Willst du es dir genauer anschauen?«
    »Aber ja«, nickte Vera und stieg aus, trat durch das niedrige Gartentor, klopfte an die Haustür, bekam keine Antwort und spazierte dann rechts um das Haus herum.
    Vor dem Haus gab es einen alten Mistplatz, daneben einen Fliederbusch, an der Hauswand eine alte Bank. Der Eingang war schmal und sehr niedrig, links davon zwei kleine Fenster, davor zwei Kästen mit roten, üppig wuchernden Geranien. Die Vorhänge vor den Fenstern waren gelb und grau vom Alter. Das Dach war an mehreren Stellen geflickt, und weil keine Dachziegel zur Verfügung gestanden hatten, waren Bleche eingesetzt worden. Weiter links befand sich ein kleiner Garten mit einem Beet für frischen Salat und einem weiteren Beet für Kartoffeln, ein Flecken mit Brechbohnen, die an Reisige festgebunden waren, ein Beet mit Möhren, dann ein vollkommen durchgerosteter Maschendrahtzaun, durch den Dahlien gebrochen waren, grellrot und gelb. Wer immer der Bewohner war, er hatte einen prachtvollen Blumengarten wie einen Kranz um die Front des Hauses gelegt. Es gab Akelei in allen nur denkbaren Farben, Löwenmäulchen, vielerlei blühende Steingewächse und viele Lilienformen, von denen die orangefarbenen Feuerlilien am meisten auffielen. Dieser Garten war die reine Lebensfreude.
    Cisco fiepste hell und aufgeregt und hampelte hinter mir auf dem Rücksitz herum. Um zu verhindern, dass er auf die Sitze pinkelte, ließ ich ihn heraus.
    Er musste mitbekommen haben, in welche Richtung Vera verschwunden war, und stürmte ihr nach.
    Etwa dreißig Sekunden später bog eine merkwürdige Prozession um die Hausecke. Vera und Cisco im Rückwärtsgang, wobei Vera den Hund ansah, als wolle sie ihn dazu auffordern, irgendetwas zu unternehmen. Cisco bellte recht mutig, tappte aber synchron mit meiner Vera rückwärts und schaute sie seinerseits dabei an, als wolle er sagen: »Warum tust du eigentlich nix?« Es folgten zunächst zwei Ziegen, erwachsene Ziegen mit gewaltigen Milchbehältern und arrogantem, herrischem Blick. Ihnen nach stolzierte ein Ziegenbock, ziemlich gewaltig, wuschelig im Körperhaar und mit der Attitüde von ›Ich mach das schon! ‹ Dann sprangen drei Ziegenkinder, fröhlich und ausgelassen, um die Ecke. Die ganze Blase meckerte unentwegt.
    Das Schlusslicht bildete eine Frau, achtzig Jahre alt vielleicht oder neunzig, vielleicht sogar älter. Als drittes Bein benutzte sie einen ziemlich erschreckenden Knüppel. Noch nie im Leben hatte ich derart krumme Beine gesehen. Sie setzten unter dem knielangen dunklen Kattunrock ganz außen an und stießen in der Mitte in einem Winkel von ungefähr fünfundvierzig Grad zusammen, endeten in gewaltigen Arbeitsschuhen der Marke Schwarzer Riese, schnürbandlos und nur von unendlichem Vertrauen gehalten. Die Frau hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, die wenigen waren recht kurz gehalten und ringelten sich hinter beiden Ohren zu allerliebsten Löckchen. Sie strahlte eine direkte und beinahe aufsässige Fröhlichkeit aus und sagte so etwas wie: »Joh, joh, joh!« Dabei wurde deutlich, dass sie sich von den meisten ihrer Zähne schon vor Jahrzehnten verabschiedet haben musste. Ihr Gesicht war eine eindrucksvolle Mischung von Friede, Freude, Eierkuchen, so etwas wie ein niemals untergehender Mond der guten Laune.
    »Also, ich ...«, begann Vera unsicher und gepresst. Doch sie konnte nicht weitersprechen, weil der Vater der Ziegensippe einen kurzen, eleganten Bogen vollbracht hatte und sie von der Flanke her mit einem lustigen Sprung und mit gefährlich gesenkten Hörnern angehen wollte.
    »Huch!«, rief Vera und machte einen Schritt zur Seite. Ein zweiter Schritt war nicht möglich, da sich dort die beiden Ziegenmütter aufgestellt hatten und bereit waren, sie in Empfang zu nehmen.
    Die alte Frau machte wieder: »Joh, joh, joh!«, und knüppelte nicht allzu hart auf ein Ziegenkind ein, das unbedingt von dem Flieder probieren wollte, sich dann aber auf einen violetten Ziermohn stürzte. Anscheinend schmeckte der nicht, denn das Ziegenkind meckerte empört.
    »Ich ...«, versuchte Vera es erneut, wurde jedoch an weiteren Äußerungen von der älteren der beiden Ziegenmütter gehindert, die kurz aufmeckerte und meiner Vera dann kräftig in

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