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Eifelbaron

Eifelbaron

Titel: Eifelbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Jagusch
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Mundarten frei Schnauze gemischt. Als Staubsaugervertreter war er quer durch das Rheinland gezogen und hatte so viel Platt aufgeschnappt, dass er die regionalen Unterschiede hinterher nicht mehr auseinanderhalten konnte. Jedes Wochenende hatte er in der Kneipe die Geschichten zum Besten gegeben, die er in der Woche erlebt hatte. Mit großen Ohren hatte Fischbach zugehört, mit seiner Limo in der Hand, wenn er seinen Vater zum Mittagessen abholen sollte. Der erzählte von gelangweilten Hausfrauen, die ihn im Negligé empfingen, Witwen, die ihm stundenlang das Herz ausschütteten, bis sie den Kaufvertrag unterschrieben, und wütenden Männern, die ihm barsch die Tür wiesen, weil er sie bei einem Schäferstündchen gestört hatte. Wie viele von den Geschichten wirklich wahr gewesen waren, hatte Fischbach nie in Erfahrung bringen können, aber sie hatten ihm so oder so recht früh die Erkenntnis eingebracht, dass es zwischen Mann und Frau mehr gab als einen feuchten Kuss auf die Lippen. Fischbach vermisste den alten Knaben, der mit seiner chronisch guten Laune alle zum Lachen gebracht hatte. Fünf Jahre war er bereits tot, mit dreiundsiebzig von einem Herzinfarkt dahingerafft, während er gerade beim Frühschoppen an der Theke einen Witz erzählte. Die Pointe war er seinen Zuhörern schuldig geblieben.
    Fischbach überkam eine Gänsehaut, obwohl es hier auf dem Klo stickig warm war. Er musste unbedingt dran denken, gleich das Fenster auf Kipp zu stellen, bevor er ging.
    Er blickte auf die Uhr. Es wurde Zeit. Er griff nach links zur Klorolle und spürte kalte Fliesen unter den Fingern. Als er seinen Blick folgen ließ, stellte er erschrocken fest, dass das Klopapier alle war. Hektisch suchend sah er sich um, doch eine Ersatzrolle fand er nicht.
    »Mist«, fluchte er. Er zog seine Hosen ein Stück weit hoch, stand auf und drückte die Klospülung. Er musste die Kabine wechseln. Stumm lauschte er, niemand schien in der Zwischenzeit hereingekommen zu sein. Vorsichtig entriegelte er die Tür und spähte durch einen schmalen Spalt hinaus, wobei er seine Hosen auf Höhe der Oberschenkel hielt. Niemand zu sehen. Er riss die Tür auf, machte einen Schritt vor und wandte sich zur zweiten Kabine.
    Ein spitzer Schrei ließ ihn herumfahren. Die Putzfrau stand mit weit aufgerissenen Augen in der Tür zum Flur und hielt die Hände vor den Mund.
    Schweiß lief Fischbach in die Augen. Er spürte, wie er rot anlief. »Es ist nicht so … äh … kein Papier.«
    Die Putzfrau rief irgendetwas in einer fremden Sprache, die sich für Fischbachs Ohren russisch anhörte, und flüchtete.
    Resigniert blickte er auf die zufallende Tür. Er hoffte, dass die Frau selbst dahinterkam, warum er hier mit heruntergelassenen Hosen stand und es nicht fälschlicherweise als abartigen Eifelbrauch auslegte. Er sah in die Nachbarkabine und stellte erleichtert fest, dass dort mehrere Rollen Klopapier auf ihn warteten.
    Ein paar Minuten zu spät stürmte er kurz darauf in den Besprechungsraum. Zu allem Überfluss zog die Schmitz-Ellinger einen Flunsch und sah demonstrativ auf ihre Armbanduhr.
    »Du gehst großzügig mit unserer Zeit um«, warf Bönickhausen ihm mürrisch entgegen.
    »Vielleicht hat ihn eine weitere Ausfahrt mit seiner neuen Freundin aufgehalten«, sagte Büscheler heiser und hustete.
    Fischbach setzte sich. »Welche neue …« Er brach ab, als er Büscheler und Andrea Lindenlaub grinsen sah. Bianca Willms kicherte los, und selbst Welscher konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Fischbach biss die Zähne zusammen. War ja klar, dass seine zu schnelle Fahrt mit Schwester Regina nach deren unfreiwilligen Zoten nicht geheim bleiben würde. Dieser vermaledeite Thomas Gilles, fluchte er stumm und nahm sich vor, dem Kollegen bei nächster Gelegenheit die Leviten zu lesen. Blieb zu hoffen, dass die Putzfrau von eben kein Deutsch sprach, sonst wäre er in den nächsten Monaten erst recht die Zielscheibe des Spotts in der Dienststelle. Er widerstand dem instinktiven Wunsch, sich zu verteidigen. »Was haben wir?«, fragte er stattdessen. »Was hat die Obduktion ergeben?«
    »Nicht viel«, berichtete Andrea Lindenlaub und wischte sich mit dem Handrücken eine Lachträne aus den Augenwinkeln. »Bauernfeind war kerngesund, sieht man mal von Krampfadern ab. Der Kopfschuss war definitiv die Todesursache. Anzeichen für einen Kampf gibt es nicht. Die Kugel traf ihn vermutlich aus heiterem Himmel. Die Rechtsmedizinerin hat sich beim Todeszeitpunkt auf

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