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Eifelbaron

Eifelbaron

Titel: Eifelbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Jagusch
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drum. Gestern also war es recht leer. Vermutlich wegen des Wetters.«
    »Sicher«, frotzelte Ralf. »Wird nichts mit deiner einschläfernden Stimme zu tun gehabt haben.«
    Sie lachten.
    »Darüber kann nur derjenige urteilen, der selbst in der Kirche dabei war«, sagte Klaus gespielt streng. »Es waren jedenfalls nur ein paar Alte da. Die sitzen immer in der vorletzten Reihe. Und gestern ist es mir zu bunt geworden, schließlich hatten wir ja genug Platz. Ich bat sie also nach vorne, brauch ich ja nicht so laut zu predigen, nich? Doch die reagierten gar nicht! Stellt euch das mal vor. Die überhörten mich mutwillig.«
    »Waren vermutlich schon eingeschlafen«, brummte Fischbach amüsiert.
    »Ich habe meine Bitte wiederholt«, erzählte Klaus weiter, ohne auf die erneute Stichelei einzugehen. »Wieder keine Reaktion. Dann ein drittes Mal. Plötzlich sah mich eine der Alten an und maulte: ›Wat soll der Dress? Wir hocken allmal hee und blieven hee!‹« Klaus schüttelte den Kopf, die anderen lachten.
    »So sind die Minsche hier«, stellte Jörg fest. »Gewohnheitstiere. Veränderungen sind Teufelskram.«
    »Und? Was hast du gemacht?«, fragte Ralf.
    Klaus schmunzelte. »Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt …« Er setzte aus und die anderen vollendeten den Satz: »… muss der Prophet zum Berg kommen. Prost!« Sie hoben ihre Gläser und stießen sie klirrend zusammen.
    »Hm, aber was genau soll das heißen?«, wollte Ralf wissen.
    Klaus verdrehte die Augen. »Na, so schwer zu verstehen war das ja jetzt nicht … Ich bin von der Kanzel runter und durch den Mittelgang hin zu den alten Damen. Dann habe ich dort meine Predigt gehalten.«
    Fischbach grunzte belustigt. Der zweite Els wirkte entspannend. »Hat es den Weibern gefallen? Die konnten dir doch zum ersten Mal ohne Hörgerät zuhören.«
    Klaus winkte ab. »Vergiss es. Zum Abschied hat mir eine gesagt: ›Dat wor ens jet Neues, Herr Pastüür.‹«
    Sie lachten.
    Klaus seufzte. »Was denn wohl so viel heißt wie: ›Es entsprach ganz und gar nicht meinen Vorstellungen, ich bin aber gewillt, ausnahmsweise den Mantel der Sympathie darüber zu decken.‹ Mit Betonung auf ›ausnahmsweise‹. Ich denke, beim nächsten Mal werde ich wieder auf die Kanzel gehen. Schließlich will ich ja nicht meine letzten Zuhörer vergraulen.«

VIER
     
    Es war sieben Uhr. Die Frühnachrichten von Radio Euskirchen liefen, doch Fischbach hörte nicht hin. Er hatte schlecht geschlafen. Erst in der Nacht war ihm so richtig bewusst geworden, welche Verantwortung er jetzt trug. Mit der Übernahme der Leitung einer Mordkommission stand er im Mittelpunkt des regionalen, mitunter sogar bundesweiten Interesses. Bei Mord oder Totschlag würden sie ihn rufen, zu jeder Tages- oder Nachtzeit, ohne Rücksicht auf Dienstpläne. Er würde folgenschwere Entscheidungen treffen und sich verantworten müssen. Vorgesetzte, Medien, Staatsanwaltschaft, Verteidiger, Richter, Kolleginnen und Kollegen würden seine Handlungen auf den Prüfstand stellen, kritisieren oder gutheißen. Wollte er das alles wirklich? War er dem Druck gewachsen? In den Jahrzehnten im Polizeidienst hatte es immer jemanden über ihm gegeben, der im Notfall für ihn den Kopf hinhalten musste. Nun würde sein Kopf in der Schlinge hängen, sollten die Ermittlungen nicht den gewünschten Erfolg zeigen oder der Täter entkommen.
    Das Ganze hättest du dir eher überlegen sollen, schalt er sich selbst. Ein Rückzieher käme einer Entblößung gleich. Er zwang sich, den Regionalteil des Stadt-Anzeigers zu lesen, um auf andere Gedanken zu kommen. Die Schlagzeile »Eifeler Geschäftsmann ermordet«, in fetten schwarzen Lettern gedruckt, ließ ihm jedoch keine Chance. Er las den Bericht und stellte zufrieden fest, dass es sich überwiegend um eine Sachverhaltsdarstellung handelte. »Die Polizei ermittelt«, ein wenig über Barons Privatleben und Unternehmertum. Keine hanebüchenen Vermutungen, keine wilden Spekulationen über zum Beispiel Serienmörder oder Sadisten. Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf die Fensterbank. Mit dem Löffel klopfte er sein Frühstücksei auf.
    »Dem Franz sein Junge will indisch heiraten«, teilte ihm Sigrid mit und schob die Butter in seine Reichweite.
    Fischbach grübelte, wer Franz sein mochte. Sein Vetter, also der Sohn seiner Tante aus Kall? Die hatte doch immer die leckeren Flutschmoppen gebacken. Als Kinder waren sie hin und wieder in den Ferien auf ihrem Bauernhof gewesen. Da hatte ihr

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