Eifelbaron
konnte. Er horchte. »Bist du noch dran?«, fragte er.
»Also, weißt du, Jan. Ich habe mir unser Zusammenleben anders vorgestellt«, entgegnete Alex kalt, dann war die Leitung tot.
»Mist«, fluchte er und überlegte, sein Treffen mit Kerstin zu verschieben. Aber auf die eine Stunde kam es jetzt eigentlich auch nicht mehr an. Der Tag war eh gelaufen, und auf die schlechte Stimmung zu Hause verspürte er gerade nicht die geringste Lust.
Sie fuhren an Zülpich vorbei und bogen auf Höhe des Neffelsees in Richtung Juntersdorf ab. Im Dorf nahmen sie die Pfarrer-Wachten-Straße bis zur Düttling. Weit und breit stand nur ein Haus, und vor dem parkten zwei Streifenwagen, dahinter ein Leichenwagen. Zwei Polizisten standen am Heck und rauchten.
Welscher stieg aus und wartete, bis auch Fischbach so weit war.
»Geh durch, Hotte. Auf dem Speicher«, sagte einer der Männer und deutete mit seiner glimmenden Zigarette zum offen stehenden Hauseingang.
»Alles klar«, erwiderte Fischbach und stapfte los. Im Flur hörten sie jemanden weinen. Sie warfen im Vorbeigehen einen Blick ins Wohnzimmer. Dort saß ein Polizeibeamter auf einer Sesselkante und drehte seine Mütze in den Händen. Eine hochschwangere Frau auf einem der Esszimmerstühle daneben heulte Rotz und Wasser. Der Beamte bemerkte sie und deutete stumm zur Decke.
Welscher nickte und folgte Fischbach die Stufen hinauf. Oben wurden sie von einem anderen Kollegen empfangen. Welscher erkannte ihn wieder, es war derselbe, der bei Maria Rast die Straße abgeriegelt hatte.
»Du bist ja ein richtiger Todesengel«, bemerkte er und rümpfte die Nase. Es roch unangenehm nach Urin und Fäkalien.
»Kleiner Scherz auf meine Kosten, ha, ha«, presste der Kollege ärgerlich heraus. Welscher hatte ihn offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt.
»Irgendwelche Hinweise auf Fremdeinwirkung?«, fragte Fischbach.
Der Kollege schüttelte den Kopf. »Nein. Seine Frau hat ausgesagt, er sei gegen siebzehn Uhr hier hochgegangen. Er wollte weiter am Kinderzimmer bauen.«
Welscher sah sich um. Unverputzte Gipsplatten verkleideten das Gebälk, Werkzeug lag auf dem Boden verstreut.
»Knapp eine Stunde später wunderte sie sich, dass sie nichts von ihm hörte. Als sie nachschauen ging … nun ja, da fand sie ihn.« Er wies auf die Leiche. Sie lag auf dem Boden.
»Auf dem Boden?«, fragte Welscher irritiert.
»Blödsinn«, knurrte der Kollege. »Er baumelte mit einem Stromkabel um den Hals am Deckenbalken. Wir haben ihn runtergeholt und versucht, noch irgendetwas zu retten. Doch es war zu spät.«
Fischbach hockte sich neben den Toten und betrachtete ihn aufmerksam. »So ein junger Bursche. Was hat ihn bloß dazu getrieben? Seine Frau und sein Ungeborenes im Stich zu lassen, ehrlich, ich verstehe es nicht.«
»Vielleicht hilft das weiter«, sagte der Kollege und reichte Fischbach einen Umschlag. »Steckte in seiner Brusttasche. Ein Abschiedsbrief.«
»Warum sagst du das nicht gleich?«, brummte Fischbach und kam wieder in die Höhe. Er faltete den Brief auseinander.
Welscher trat neben ihn und schaute ihm über die Schulter. Die Schrift war klar und steil. Mit wachsendem Erstaunen überflog er die Zeilen.
Eine halbe Stunde später verabschiedete Welscher die beiden Kollegen von der Streife und ging ins Wohnzimmer zurück. Fischbach saß mit der Frau am Esszimmertisch. Vor ihm lag der Abschiedsbrief. Welscher setzte sich zu ihnen.
»Frau Eimermacher, es tut mir leid, dass ich das Thema ansprechen muss. Es ist nicht einfach für Sie, das ist mir bewusst.«
Tapfer nickte sie, streckte dabei entschlossen ihr Kinn vor.
»Ihr Mann Christian hat in diesem Abschiedsbrief geschrieben, dass er als Drogenkurier unterwegs war. Mit einem Lastwagen der Firma Baron. Der Laster wurde geklaut, mit ihm eine millionenschwere Heroinlieferung. Weiter schreibt Ihr Mann, dass nicht nur er vom Auftraggeber bedroht wurde, der sein Geld wiederhaben wollte, sondern auch Bruce Baron, obwohl dieser überhaupt nichts mit der Sache zu schaffen hatte.« Fischbach strich mit der flachen Hand über das Papier. Es knisterte leise. »Wussten Sie von der Nebentätigkeit Ihres Mannes?«
Sie zerknüllte ihr Taschentuch in den Händen und sah unsicher zu Boden. »Nein, nicht direkt. Er hat mich nicht eingeweiht, meine ich.«
»Nicht direkt? Was heißt das genau?«
»Ich habe es befürchtet und ihn bedrängt, mir zu sagen, worum es geht. Doch er hat mich nur gebeten, ihm zu vertrauen. Gesagt hat er mir nichts.«
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