Eifelheiler (German Edition)
Ich dachte schon … Egal. Können Sie noch einen
Moment auf Clarissa aufpassen? Bitte. Ich … es dauert …«
»Sie sind auf dem Klo?«
»Nur noch ein paar Minuten.«
»Kein Problem.«
Ein erleichterter Seufzer war die Antwort.
Die Stute schien ihn zu mögen, denn das aufgeregte Spiel ihrer Ohren
hörte auf.
»Sie ist es.« Fischbach straffte sich. »Dann kann es ja gleich losgehen.«
Welscher wandte sich um. Barbara Wolf saß aufrecht auf einem
Schimmel und ritt geradewegs auf sie zu. Er erinnerte sich, dass das Tier
Schneeball hieß.
Sie stoppte wenige Meter vor ihnen. »Was wollen Sie noch? Können Sie
uns nicht in Ruhe lassen? Es ist schon schwer genug.«
Welscher bemerkte, dass die Stute wieder nervös wurde. Sie trampelte
mit den Hinterläufen von links nach rechts und schob ihn dabei zur Seite.
Fischbach machte einen Schritt auf Barbara Wolf zu. »Bitte steigen
Sie ab. Wir wissen, dass Ihr Mann nicht der Mörder Ihrer Mutter sein kann.«
Über Barbara Wolfs Gesicht huschte ein ängstlicher Ausdruck.
Aha, wir liegen also richtig, dachte Welscher. Ansonsten hätte sie
sich gefreut, schließlich hatte Fischbach ihren Mann gerade von der schrecklichen
Tat an ihrer Mutter freigesprochen.
»Was soll das werden? Er hat doch gestanden.«
»Ja, das hat er in der Tat. Aber das war eine Lüge«, sagte
Fischbach. »Und nun kommen Sie bitte von dem Pferd runter.«
Welscher hörte eine Spülung rauschen. »Sie tragen aber große
Stiefel«, sagte er und deutete auf ihren Fuß im Steigbügel.
Barbara Wolf schaute an sich herab. »Wie? Die gehören meinem Mann.
Sind mir zwar ein wenig zu groß, aber er hat sie immer in unserem Lada liegen.
Und ich habe meine Reitstiefel vergessen. Sie passen ganz …« Sie hielt inne und
sah überrascht auf.
Welscher sah sie ernst an. »Frau Wolf, ich denke, es ist Zeit …«
Sie riss den Schimmel herum und trat ihm mit den Hacken in die
Flanken.
Im selben Augenblick sprintete auch Fischbach los, stoppte aber nach
wenigen Schritten wieder. »Mist«, rief er wütend und trat gegen einen
herumstehenden Eimer, der im hohen Bogen davonflog.
»Was ist denn hier los?« Eine junge Frau war aus dem Stall
herausgetreten und sah sie fragend an.
Welscher erwachte aus seiner Starre, löste die Zügel von dem
Metallring an der Hauswand und schwang sich in den Sattel.
»Hey, kommen Sie sofort von meiner Clarissa runter«, kreischte die
Frau.
Er wendete die Stute. »Polizeiliche Maßnahme. Ich muss eine
Flüchtige verfolgen.« Fest packte er die Zügel und galoppierte los.
Die Stute schien fremde Reiter gewöhnt zu sein, denn sie sprang
förmlich vorwärts. Schon nach wenigen Metern fühlte er sich, als würden sie
eine Einheit bilden. Er spürte die kräftigen Muskeln des Tieres, hörte das
rhythmische Trampeln der Hufe und fühlte den Wind auf der Haut.
Gott, wie lange hatte er auf dieses wahnsinnig irre Gefühl von
Freiheit verzichtet? Er jauchzte und schrie »Jippie«, wie er es als Kind immer
getan hatte.
Barbara Wolfs Vorsprung schmolz dahin. Als sie den Waldrand
erreichte und links in einen breiten Weg einbog, schätzte Welscher die
Entfernung auf nur noch fünfzig Meter. Mit einem Schnalzen spornte er die Stute
noch mehr an. Die Stelle, wo der Weg in den Wald führte, sprang förmlich auf
ihn zu. Schon zog er links am Zügel und dirigierte die Stute in die Richtung,
als ihm für Sekundenbruchteile das Herz stehen blieb. Quer über dem Weg lag ein
umgestürzter Baum. Zwar war er rechts am Wegrand provisorisch so geteilt
worden, dass dort ein Pferd ohne Probleme durchreiten konnte. Doch die
erforderliche Richtungsänderung war bei diesem Tempo nicht mehr möglich. Ohne
zu zögern, sprintete Clarissa weiter. Welscher konzentrierte sich auf den
Sprung und versuchte, sich an alles zu erinnern, was ihm sein Vater beigebracht
hatte. Wie in Zeitlupe hoben sie ab und schwebten für Sekunden wie schwerelos
in der Luft. Er spürte einen hervorstehenden Ast, der an seinem Knie
entlangschrubbte, sah Barbara Wolf, die sich umschaute. Dann folgte eine
butterweiche Landung, abgefedert durch die kräftigen Beine der Stute. Erst
jetzt bemerkte Welscher, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Er
atmete durch, während Clarissa immer noch wie ein Pfeil dahinschoss. »Jieha«,
kreischte Welscher. Sein Puls raste. Nur noch zwanzig Meter.
Mit ängstlichem Gesichtsausdruck blickte Barbara Wolf sich um und
gab ihrem Pferd nochmals die Hacken.
Zehn Meter.
»Jieha«, rief Welscher
Weitere Kostenlose Bücher