Eifelheiler (German Edition)
»Schrecklich. Wäre sie doch nur
gefahren«, murmelte sie mit belegter Stimme.
»Gefahren?«
»Ja. Meine Mutter wollte eine alte Schulkameradin im Allgäu
besuchen. Offensichtlich hat sie die Reise nicht angetreten.«
»Normalerweise wäre sie gestern also gar nicht zu Hause gewesen?«
»Nein.«
»Wissen Sie, warum Ihre Mutter nicht gefahren ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Leider nein. Ich wusste ja selbst nicht,
dass sie die Reise nicht angetreten hat.«
Grübelnd nippte Fischbach an seinem Kaffee. Mit dem Zucker und der
Milch schmeckte er nun so, wie er es liebte: süß und cremig.
Vielleicht hatte jemand die Gelegenheit nutzen wollen, um in aller
Ruhe das Haus auszuräumen. Dabei war er von der Kramann überrascht worden und
zack, Messer in den Rücken, Zeugin tot. Allerdings, gestand sich Fischbach ein,
passte dazu nicht die Aggressivität der Tat. »Wer wusste von der geplanten
Reise Ihrer Mutter?«
»Ach, Gott und die halbe Welt, nehme ich an. Sie hat sich so sehr
gefreut, ihre Freundin wiederzusehen, dass sie es jedem erzählt hat.« Sie zog
die Augenbrauen zusammen. »Hat das etwas zu bedeuten?«
»Vermutlich nicht. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir mehr über
Ihre Mutter zu erzählen? Wir können das auch später machen«, ergänzte er rasch,
obwohl er eigentlich keine Terminverschiebung erwartete. Barbara Wolf machte
nicht mehr den Eindruck, als ob sie gleich zusammenbrechen würde. Sie schien
eine starke Frau zu sein.
»Über meine Mutter, hm«, sagte sie nachdenklich. »Was genau möchten
Sie wissen?«
»Erzählen Sie einfach. Wie sie gelebt hat, über ihr Verhältnis zu
Ihnen, zur Familie. Von ihrem Beruf.« Fischbach zog seinen Notizblock aus der
Jacke und zückte seinen Kugelschreiber. »Was Ihnen einfällt.«
»Wo soll ich anfangen?« Sie holte tief Luft. »Also, mein Vater hat
früher gut verdient. Wir waren nicht reich, aber es ging uns gut. Er hatte
einen eigenen Betrieb, Elektrohandwerk. Lief alles ausgezeichnet, bis er 1985
bei der Reparatur eines Elektroverteilers umfiel. Ein unachtsamer Moment,
Stromschlag. Aus und vorbei. War ein schöner Schock für uns. Gott sei Dank fing
meine Mutter sich rasch wieder und wickelte von da an den Betrieb ab. Ende der
Neunziger legte sie ihr Geld in Aktien an, hauptsächlich im neuen Markt. Sie
erinnern sich bestimmt daran.«
Fischbach nickte. Zwar mied er Aktien wie der Teufel das Weihwasser,
aber an die Werbung im Fernsehen mit seinem geliebten Tatort-Kommissar Manfred
Krug, daran erinnerte er sich noch genau. »Das war die Zeit, als die
Telekom-Aktie bei über einhundert Mark stand.«
»Ja, viel höher ging es auch nicht mehr. Meine Mutter hatte den
richtigen Instinkt und zog ihr Geld rechtzeitig raus, bevor die Kurse
einbrachen. Sie sah es als ein Gotteszeichen und hat danach nie wieder einer
Bank ihr Vertrauen geschenkt.« Sie beugte sich vor. »Wir vermuten, dass sie ihr
Geld im Haus versteckt.«
»Wer sind wir?«
»Verwandte, Bekannte, Freunde.«
»Ah, okay. Sehr unvernünftig«, urteilte Fischbach und notierte Geld, Haus, Raub?
»Denke ich auch«, stimmte Barbara Wolf zu. »Wie auch immer. Meine
Mutter ist … war anspruchslos. An eine größere Investition kann ich mich nicht
erinnern.«
»Wollen Sie damit ausdrücken, dass bei ihr einiges an Geld zu holen
war?«
Nachdenklich stierte sie in ihre Kaffeetasse. »Nein … ja … ach, ich
weiß nicht. Ich wohne ja nicht gerade in der Nähe. Vielleicht hat sie ihr
ganzes Geld verschenkt. Ob überhaupt was übrig ist, weiß ich eigentlich gar
nicht. Es war nur so eine Idee.«
»Sie denken an einen Raubmord?«, fasste Fischbach zusammen.
»Blöd, oder?«
»Wird sich zeigen.« Nachdenklich legte er seinen Zeigefinger auf die
Lippen. »Ihre Mutter war Heilerin, habe ich gehört. Wie muss ich mir das
vorstellen? Sicher wird man für eine Heilung gut bezahlt.«
Barbara Wolfs Rücken spannte sich. »Davon wissen Sie?«
»Ja.«
Erneut traf ihn ein misstrauischer Blick. »Mitunter wird man schief
angesehen, wenn man davon spricht. Daher habe ich es nicht erwähnt.«
»Ist schon okay.« Kurz kam ihm Welscher in den Sinn. Der würde jetzt
vermutlich eine bissige Bemerkung über hinterwäldlerischen Eifel-Voodoo-Zauber
loslassen. »Ich bin da ganz offen.«
Ihr Rücken krümmte sich wieder. »Es ist nur … als Kind bin ich
deswegen sehr oft gehänselt worden. Ich weiß nicht, wie oft ich mir damals
gewünscht habe, dass meine Mutter eine ganz … normale Mutter wäre. So
Weitere Kostenlose Bücher