Eifelheiler (German Edition)
würde er Gilles und dem jungen Fetz eins auswischen.
SIEBEN
Seine Nase pochte heftig, obwohl Welscher zur Nacht hin
noch ein starkes Schmerzmittel genommen hatte. Steif lag er im Krankenhausbett
und starrte zur Decke seines Einzelzimmers hinauf. Ein wenig Licht drang unter
dem Türschlitz hindurch, durch die zugezogenen Vorhänge schien schwach die
Parkplatzbeleuchtung. Es reichte gerade so, um Schemen erkennen zu können.
Einige Male hörte er quietschende Gummisohlenschritte auf dem Flur, ab und an
fuhr ein Auto am Gebäude vorbei. Ansonsten war es still. In Köln wohnte er an
einer Hauptstraße. Dort war immer Verkehr, nachts zwar weniger als tagsüber,
aber trotzdem surrte auch dann noch alle paar Sekunden ein Wagen über den
Asphalt.
Er bewohnte fast einhundert Quadratmeter Altbau in mittelmäßiger
Innenstadtlage, in der Nähe vom Rudolfplatz. Viel zu teuer für ihn allein. Und
zu leer. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass er die Küchen- und die
Schlafzimmer-Einrichtung behielt. Im Wohnzimmer markierten helle Stellen auf
dem Echtholzparkett die Stellen, auf denen vormals Möbel gestanden hatten. Nur
noch seine sündhaft teure Musikanlage stand in der Ecke auf dem Boden. Seine
geliebte Orchideensammlung hatte er gegen die eigentlich fällige Auszahlung der
halben Kaution eingetauscht. Seine Wohnung zeigte sich nun schon seit Monaten
farblos, trist und deprimierend, doch er hatte bisher weder die Kraft noch das
Geld aufbringen können, das zu ändern.
Und zu allem Überfluss war seit gestern Abend nun auch noch die
Nachricht seiner Mutter auf der Mailbox. Sie vermisse ihn, hatte sie
hinterlassen. Ob er denn nicht bereit wäre, alles zu vergessen, zu verzeihen
und neu anzufangen. Und sein Vater sei kein Problem mehr, was immer das auch zu
bedeuten hatte. Denn dass sich seine Eltern getrennt hatten, konnte er sich
beim besten Willen nicht vorstellen.
Welscher rollten Tränen über die Wangen. Wie gerne würde er einen
Neuanfang starten. Aber der Kummer saß so fest wie ein Dorn mit Widerhaken.
Sein Körper fühlte sich plötzlich bleiern an, das Atmen fiel ihm
schwerer, der Puls raste und der Kopf brummte. Er strampelte die Decke von
seinen Beinen und setzte sich auf den Bettrand, streckte den Rücken durch und
legte den Kopf in den Nacken. Keuchend holte er Luft und focht gegen die
Panikattacke an. Vor seinen Augen tanzten Kreise. Er kniff die Lider zusammen
und stützte sich mit den Armen am Bett ab, die Hände krallte er ins Laken. Es
würde vorbeigehen, einige Minuten nur, dann wäre er wieder der Alte, der
Karriere machende Oberkommissar, der es bereits in jungen Jahren in eine
Mordkommission geschafft hatte. Inzwischen kannte er seine Anfälle. Auch dieser
würde vorübergehen. Er konzentrierte sich auf seinen Atem. Ein, aus, ein, aus.
Tief und langsam. Endlich spürte er, wie sich sein Puls beruhigte. Nach einigen
Minuten war es vorbei.
Müde griff er zu seiner Armbanduhr, die auf der Nachtkommode lag,
und betätigte den Beleuchtungsknopf. Kurz nach eins. Morgen musste er wieder
seinen Mann stehen. Zuvor musste er wenigstens ein wenig Schlaf finden. Kurz
entschlossen entschied er, die Nachtschwester um eine Schlaftablette zu bitten.
Er schaltete das Licht über dem Kopfende des Bettes an, angelte mit den Füßen
nach seinen Hausschuhen und stand auf. Das Medikament würde ihm kurzzeitig
Frieden bringen. Ihm war jedoch bewusst, dass sein Leben so wie bisher nicht
weitergehen konnte. Die Unzufriedenheit würde ihn ansonsten innerlich
zerfressen.
***
»Reichst du mir mal den Ausdruck da?«, fragte Welscher.
Bianca Willms griff nach dem Protokoll der gestrigen Besprechung.
»Hier, bitte.«
Sie saßen seit dem frühen Morgen am Tisch im großen Konferenzraum
und brüteten über dem Soziogramm. Inzwischen war es kurz vor elf.
Die Tür ging auf, und Fischbach trat ein. Er stutzte, als er
Welscher erblickte. »Siehst immer noch scheiße aus.«
»Ich liebe deine offene und ehrliche Art«, brummte Welscher. Dabei
fühlte er sich heute sogar besser. Die Schmerzen hielten sich in Grenzen, und
die Arbeit hatte ihn von seinen düsteren Gedanken abgelenkt. »Was hast du
erwartet? Eine Wunderheilung?«
Fischbach ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. »Hättest dich ja von
Hartmann gesundbeten lassen können.«
»Der Eifel-Merlin kann mir gestohlen bleiben. Ich vertraue lieber
der Schulmedizin.«
»Ein Versuch könnte vermutlich nicht schaden«, wandte Bianca Willms
ein. »Ich habe da Dinge
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