Eifelheiler (German Edition)
Wiese hockte, starrte gebannt ins Geäst. Fischbach sah eine Weile zu.
Doch die Katze schien eher dem Klang des Vogels zu lauschen, als auf einen
günstigen Moment zum Angriff zu lauern. Sie machte keine Anstalten, sich eine
Zwischenmahlzeit zu besorgen, sondern kauerte fast wie ein Stillleben am Fuß
des Stammes.
»Frau Bartels?«, fragte Fischbach schließlich. »Gibt es da etwas,
was Sie mir erzählen können?«
»Nein, nichts«, antwortete sie bestimmt. Ihre Daumen kreisten
schneller.
»Gab es Neider?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Streit?«
»Nein.«
»Ärger?«
»Nie.«
Fischbach seufzte. Hilde Bartels verheimlichte ihm irgendetwas, ganz
klar. Aber im Moment würde er hier nur auf Granit stoßen. Daher lenkte er das
Gespräch in eine, wie er hoffte, unverfängliche Richtung.
»Frau Kramanns Untermieter …«
»Der ist harmlos«, unterbrach sie ihn barsch.
Fischbach kratzte sich am Ohr. »Da haben wir aber was anderes
gehört.«
Hilde Bartels warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Sicher von der
Nachbarin, dieser de Witt.«
Fischbach nickte.
»Die ist mal bei ihm abgeblitzt. Seitdem hat er bei ihr
verschissen.« Sie schlug sich eine Hand vor den Mund. »Oh, er ist nicht mehr
beliebt, wollte ich sagen.«
»Wir suchen nach ihm. Es hat nämlich den Anschein, dass er
geflüchtet ist.«
»Wer ist geflüchtet?«
Seltsame Frage, dachte Fischbach. Von wem sprachen sie denn hier
gerade? Die alte Dame war wohl ein wenig senil. Oder versuchte sie nur, den
Anschein zu erwecken, um unangenehmen Fragen ausweichen zu können?
»Frank Rethmeier, der Untermieter Ihrer Stieftochter. Von dem reden
wir doch.«
Verständnislos schüttelte sie den Kopf. »Pah, vertane Liebesmühe.
Der Rethmeier reist viel durch die Welt, unbefangen, unabhängig, ein
freundlicher junger Mann, der keiner Fliege etwas zuleide tut.«
Und wenn das Geld für die Reisewünsche ausgeht, bescheißt er alte
Omas, um sich neue Mittel zu beschaffen, dachte Fischbach. Oder legt sie um und
haut mit dem Geld ins Ausland ab. »Sie wissen nicht zufällig, wo er sich
zurzeit aufhält?«
»Er wird ganz sicher wieder auftauchen«, antwortete Hilde Bartels. »Der
ist nicht auf der Flucht, Sie werden sehen.«
Ihr Wort in Gottes Ohr, dachte Fischbach. »Gut, wenn Sie meinen. Was
ist denn mit Frau Kramanns Tochter? Oder mit dem Schwiegersohn? Wie verstanden
die sich?«
»Veronikas Tochter und Schwiegersohn sind Engel. Günter hat Vrönn
sogar das ganze Haus renoviert, von Grund auf, alles kostenlos und nach der
Arbeit. Hören Sie!« Sie drehte sich auf der Bank, sodass sie Fischbach frontal
gegenübersaß. »Ich bin zwar alt, aber ich weiß schon noch, worauf Ihre Fragen
abzielen. Sie glauben, einer von uns ist der Täter.«
Entschuldigend hob Fischbach die Hand. »Reine Routine. Zurzeit
verdächtigen …«
»Ach kommen Sie mir doch nicht so«, fuhr Hilde Bartels auf und hieb
mit dem Gehstock heftig auf den Boden ein. »Bei Derrick war das auch immer so.
Der Tappert schlich so lange rum, bis er irgendeinen Onkel, Vetter oder sonst
wen aus der Familie überführen konnte. Aber so einfach ist es hier nicht.
Letzte Woche noch haben wir alle zusammen Veronikas Geburtstag gefeiert. Die
Stimmung war ausgelassen, es gab keinen Ärger, alle verstanden sich blendend.
Basta!«
Überrascht über den Ausbruch verschränkte Fischbach die Arme vor der
Brust. Schon wieder Derrick. Was sollte man dagegen noch einwenden? Hilde
Bartels würde ihm sowieso nicht glauben. Gegen Hotte Tappert kann Hotte
Fischbach einfach nicht anstinken, dachte er. »Haben Sie denn eine Idee, wer es
getan haben könnte?«
Sie rutschte wieder in ihre Ursprungsposition. »Vrönn hatte keine
Feinde. Es muss ein böser Mensch gewesen sein, der ins Haus eingedrungen ist.«
Fischbach seufzte. Ein böser Mensch, zumindest damit lag sie
richtig. Er beschloss, die Befragung abzubrechen. Er spürte Hilde Bartels’
Widerstand und würde ein anderes Mal wiederkommen, wenn sie sich ein wenig
beruhigt hatte.
»Sie tropfen übrigens immer noch«, stellte sie fest.
»Hm, ja.« Fischbach war sich dieser Tatsache selbst unangenehm
bewusst. Seine Unterhose klebte feucht an den Backen, und sein Unterhemd hing
schwer an ihm herunter. Er würde jetzt schnurstracks nach Hause fahren. Wenn er
nur an den Fahrtwind dachte, fröstelte er.
»Warten Sie«, wies Hilde Bartels ihn an, stemmte sich in die Höhe
und schlurfte ins Haus. Kurz darauf kam sie, bepackt mit einem Stapel Wäsche,
zurück. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher