Eifelheiler (German Edition)
unbedingt notwendig war. Er wandte sich an
Wolf. »Wie schon gesagt, ich muss das fragen. Kann jemand Ihre Aussage
bestätigen? Patrick vielleicht?«
»Der hat bei einem Freund in Prüm übernachtet. Den hat er bei einer
stationären Therapie kennengelernt. Wir waren den ganzen Tag allein.«
»Da kann man nichts machen«, sagte Fischbach.
Die Alibis waren dünn. Doch zurzeit hatte er nichts in den Händen,
um sie auf Herz und Nieren prüfen zu können.
»Ich denke, das war es für heute.« Er sah Welscher fragend an. Der
nickte.
»Sehe ich auch so.«
***
Ein lustvolles Stöhnen weckte Welscher. Müde setzte er sich auf
und sah zur Uhr. Es war kurz vor drei in der Nacht. Fischbach hatte ihn mit der
Anweisung, sich mal richtig auszuschlafen, nach Hause geschickt, kaum dass sie
bei den Wolfs zur Tür hinaus waren. Tatsächlich hatte ihn die Müdigkeit
übermannt, sobald er das Nachtjournal eingeschaltet hatte. Jetzt lief ein
halbseidener Erotikstreifen. Eine barbusige, hüftschmale Blondine spielte mit
sich selbst. Welscher schüttelte den Kopf. Was für ein Hetero-Mist, dachte er.
Welcher bumsgeile Typ sitzt nachts vor dem Fernseher und sieht sich den Kram
an? Er nahm die Fernbedienung und zappte durch die Kanäle. Ein Spielfilm in
schwarz-weiß, Ruf-mich-an-Werbung, Bernd das Brot in der Dauerschleife. Er fand
nichts, was ihn interessierte. Genervt schaltete er den Fernseher aus und
bereute es sofort. Die Stille, die sich einstellte, dröhnte in seinem Kopf und
zeigte ihm deutlich, wie allein er war. Er hätte sich mehr um die gemeinsamen
Freunde bemühen müssen. Stattdessen hatte er sich nach der Trennung in die
Arbeit geflüchtet. Nach und nach waren die Kontakte eingeschlafen. Mittlerweile
meldete sich nur noch selten jemand bei ihm, in den letzten zwei Wochen hatte
er keinen einzigen Anruf mehr abwimmeln müssen.
Er stand auf, schaltete das Licht aus und stellte sich ans Fenster.
Köln schlief.
Vereinzelt fuhr ein Wagen unten auf der Straße vorbei, ansonsten war
die Stadt wie ausgestorben. Nur eine einzige Menschenseele wartete verloren an
der Bushaltestelle schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite, eine Frau mit
Springerstiefeln an den Füßen. Eine schwarze Lederjacke hüllte ihren mageren
Körper ein. Sie hielt eine Flasche Bier in der Hand. Die nächtliche Kälte
schien ihr nichts auszumachen. Es tröstete ihn ein wenig, nicht der letzte
Überlebende einer Großstadt zu sein. Eine ungewöhnliche Frau, dachte Welscher,
sie scheint vor nichts und niemandem Angst zu haben. Ähnlich wie die de Witt.
Irritiert runzelte er die Stirn. Dass sie ihm gerade jetzt und hier
in den Sinn kam, wunderte ihn ein wenig. Und wieso fühlte er sich gut dabei?
Ein warmes Gefühl durchzog seinen Körper, sein Magen fühlte sich plötzlich
leicht an. Ob sie auch gerade einsam am Fenster stand, die Sterne beobachtete
oder Kramanns Haus bewachte? Behutsam lehnte er sich mit der Stirn gegen das
Fensterglas. Angenehm kühl war das.
Unten auf der Straße schwankte die Frau mit den Springerstiefeln mit
deutlicher Schlagseite über den Bürgersteig.
Köln war ihm nicht mehr so vertraut wie noch vor einigen Monaten.
Die Lichter hatten ihren Glanz verloren, die tägliche Hektik ihren
inspirierenden Reiz. Immer öfter bemerkte er, dass die Eifel nach ihm griff,
sich in sein Herz schob und ihn wärmte. Das Zwitschern der Vögel, das er als
Kind so sehr geliebt hatte. Das Plätschern eines Baches, der sich ungestüm über
Steine kämpfte und den Bachforellen Nahrung und Sauerstoff schenkte. Die Natur,
die jetzt im Frühling kurz davorstand, in Farben zu explodieren. Sogar einige
Kilos hatte er seit seiner Versetzung in die Eifel angespeckt. Ein Tribut an
Sigrids vorzügliche Hausmannskost.
Was für ein Glück sein Kollege doch mit dieser Frau hatte. Seine
Gedanken wanderten zu Fischbachs Unfall. Schrecklich. Schuld zu sein an dem Tod
von Frau und Kind gehörte zu dem Schlimmsten, was er sich vorstellen konnte.
Aber der Dicke hat es geschafft, mit Sigrids Hilfe, mit Unterstützung von
Freunden.
Vielleicht sollte er sich wirklich mal auf einen Versuch einlassen
und den Eiflern eine Chance geben. Was hatte er schon zu verlieren?
Derzeit so gut wie nichts.
SECHZEHN
Pünktlich auf die Minute tauchte Klötsch im Büro auf.
Zaghaft klopfte er gegen den Türrahmen. Welscher und Fischbach hatten in alter
Gewohnheit die Tür offen stehen lassen.
»Heinos Vater«, rief Fischbach gut gelaunt und wies auf den freien
Stuhl, der
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