Eifelheiler (German Edition)
Tränen geflossen. Die kroatische Aushilfe
im Putzteam, ein junges Ding, das kaum ein Wort Deutsch sprach, hatte er damit
so sehr erschreckt, dass sie alles stehen und liegen gelassen hatte und davongerannt
war. Welscher hatte sie zitternd in dem Raum hinter dem Kopierer gefunden, in
dem sie die Büromaterialien aufbewahrten. Zwanzig Minuten hatte er benötigt, um
sie auf die Beine zu bekommen und nach Hause zu schicken.
»Ich möchte niemanden kompromittieren«, wisperte Klötsch unsicher.
»Dann fangen wir doch einfach mit den Dingen an, die für niemanden
ein Problem darstellen. Wir tasten uns peu à peu ran«, schlug Fischbach vor.
»Sie sind also am Samstag wann von zu Hause fortgegangen?«
»Kurz nach dem Mittagessen, etwa gegen halb zwei«, antwortete
Klötsch bereitwillig. Offensichtlich konnte er sich mit Fischbachs Vorschlag
anfreunden. »Ich bin nach Dahlem ins Restaurant ›Em Lade‹.«
»Kenn ich«, sagte Fischbach. »Biker sind dort gerne gesehen. Haben
eine gute Karte.«
Welscher schmunzelte. Fischbach erinnerte ihn an Obelix. Der dachte
auch immer nur ans Essen. Sein Ärger verrauchte ein wenig.
»Ja«, bestätigte Klötsch. »Nette Gastwirte, herzlich und lieb. Da
fühlt man sich sofort wohl. Die Bedienung wird sich an mich erinnern, ich habe
ein großzügiges Trinkgeld gegeben. Ich hatte Rindercarpaccio mit
Olivenöldressing und Rumpsteak vom Grill an Kräuterbutter, dazu Pommes frites
und gemischten Salat.« Er grinste.
»Was amüsiert Sie denn so?«, fragte Welscher.
»Entschuldigen Sie bitte, es ist nur …« Er brach ab. »Es spielt
keine Rolle.«
»Das entscheiden wir.«
Er seufzte. »Also gut. Auf der Speisekarte steht der Hinweis:
Maximal vier unterschiedliche Hauptspeisen pro Tisch. Ich frage mich jedes Mal,
wenn ich dort bin, was das soll. Ist der Koch mit einem fünften Gericht
überfordert? Ich finde das skurril.«
In der Eifel kann eben nicht jeder das bestellen, was er will,
dachte Welscher. Da bestimmt der Wirt, was auf den Tisch kommt. »Sie haben also
zweimal zu Mittag gegessen?«
»Ach was. Zu Hause habe ich doch kaum einen Bissen herunterbekommen.«
»Sie essen wohl häufiger auswärts?«
Angewidert verzog Klötsch das Gesicht. »Ja, allerdings. Meine Frau
kocht scheußlich. Und ausschließlich gesund, Tofu und Vergleichbares. Ich
dagegen liebe die gute Hausmannskost.« Er senkte den Kopf. »Sie nimmt überhaupt
keine Rücksicht auf mich.«
»Und nach dem Essen?«
»Bin ich sofort nach Bad Münstereifel ins Theater.«
»Um wie viel Uhr? Gibt es Zeugen?«
»Warten Sie.« Klötsch überlegte und zupfte gedankenverloren an
seiner Unterlippe. »In Dahlem bin ich gegen halb drei los. Kurz nach drei habe
ich das Theater betreten und ein paar Worte mit dem Portier gewechselt. Danach
habe ich mit dem Regisseur einen Kaffee getrunken und noch ein paar Szenen
besprochen, die am Vorabend nicht ganz optimal gelaufen waren. Anschließend war
ich in der Maske. Die Kollegen trudelten nach und nach ein und können bezeugen,
dass ich auch den restlichen Nachmittag bis zur Aufführung anwesend war.«
Selbstsicher sah er Welscher an.
»Und Ihre Frau? Wo war die?«
Klötsch senkte den Blick. »Keine Ahnung«, raunte er. »Vermutlich zu
Hause.«
»Haben Sie denn nicht darüber gesprochen? Interessiert es Sie nicht,
was Ihre Frau treibt?«
Übergangslos verlor Klötsch die Fassung. Sein Körper bebte, und er
schlug die Hände vors Gesicht.
Verständnislos blickte Welscher zu Fischbach. Was führte der hier
für ein Schmierentheater auf? Fischbach machte eine Handbewegung, die so viel
bedeutete wie: Ich habe auch keine Ahnung.
»Wir hatten so viele Pläne«, sagte Klötsch schließlich. Er hatte
sich ein wenig beruhigt. »Auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela
wandern, in Rom an einer Papstaudienz teilnehmen. Jerusalem sehen, eine
Rundreise durch das Heilige Land machen. Und jetzt ist alles vorbei.« Er rang
die Hände und blickte sie aus traurigen Augen an.
Das ist echt, dachte Welscher. Seine Ehe steht offenbar kurz vor dem
Aus. Er spürte eine Woge Mitleid mit dem Mann, was ihm gar nicht gefiel.
Schließlich verdankte er ihm seine schmerzende Nase. »Eine Trennung ist doch
nicht das Ende der Welt«, sagte er dennoch. »Sie werden sicherlich eine Frau
finden, mit der Sie Ihre Pläne noch umsetzen können.«
»Hört, hört«, murmelte Fischbach.
Welscher wunderte sich über sich selbst. Hatte er das gerade
wirklich gesagt? Die ganze Zeit erging er sich in
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