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Eifler Zorn

Eifler Zorn

Titel: Eifler Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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unwahrscheinlich vorkommt. Ich werde es jedenfalls nicht außer Acht lassen,
wenn ich ›meinen‹ Fall bearbeite, ob dir das jetzt passt oder nicht.«
    Sauerbier strich sich fahrig
über seinen Schnäuzer. Seine Augen sprühten Zorn, aber er erwiderte nichts.
    »Ich helfe dir gerne dabei,
Judith.« Ich ließ Sauerbier nicht aus den Augen.
    »Wer in die Teams kommt,
bestimmen immer noch die leitenden Beamten, Frau Weinz.« Er stand auf, stützte
sich mit geballten Fäusten auf seinen Schreibtisch und beugte sich vor. »Und
Sie sind mit Sicherheit nicht dabei.«
    »Ina ist sehr wohl in meinem
Team, Horst«, sagte Judith leise, aber sehr bestimmt. Sauerbier zog eine
Augenbraue hoch und musterte erst mich, dann Judith. Schließlich ließ er sich
nach hinten auf seinen Stuhl plumpsen.
    »Wenn du meinst.« Er widmete
sich demonstrativ seinen Unterlagen. »Ich habe jetzt jede Menge Papierkram zu
erledigen.«
    »Dann will ich Sie nicht
weiter stören, Herr Sauerbier«, sagte ich und drehte mich auf dem Absatz um. Im
Weggehen hörte ich, wie Judith leise die Tür hinter mir schloss, und musste
zugeben, dass sie mich überraschte. Und beeindruckte.
    In meinem Büro wartete
niemand auf mich. Sandras Schreibtisch war verwaist. Neben dem Telefon hatte
sie ein Familienfoto im silbernen Rahmen aufgestellt. Arno, Luisa und sie. Die
Aufnahme musste im Frühjahr oder Sommer entstanden sein, das erkannte ich an
Luisas Aussehen. Die Mädchen veränderten sich so schnell in der letzten Zeit,
und auf dem Bild ähnelte Luisa ihrem jetzigen Erscheinungsbild so sehr, dass
nicht viel Zeit vergangen sein konnte. Sogar das T-Shirt kannte ich. Der Aufbau
des Bildes, die Anordnung der Personen erinnerte mich an die Holzschnitzfiguren
der Heiligen Familie, die früher in vielen Wohnzimmern gestanden hatten. Arno,
hoch und groß aufgerichtet halb hinter, halb neben Sandra, einen Arm um sie
gelegt. Schützend? Besitzergreifend? Davor Luisa. In der Mitte zwischen beiden
wie ein gehüteter Schatz. Bisher war mir die Ähnlichkeit zwischen Mutter und
Tochter noch nie so deutlich aufgefallen. Die gleiche Statur, wenn Luisa auch
deutlich kleiner war, die feinen, zarten Gesichtszüge, die ich bei Sandra oft
schon mit unnachgiebiger Härte überzogen gesehen hatte, wenn sie einem unserer
»Kunden« gegenübertrat. Beide schauten starr in die Kamera. Lächelten
offiziell. Traurige Augen. Oder bildete ich mir das nur ein und verband das
aktuelle Geschehen mit dieser Szene aus vergangenen Tagen? Ich stellte das Bild
an seinen Platz und trat ans Fenster.
    Es wurde Zeit, Steffen
anzurufen. Ich stützte mich auf der Fensterbank ab, lehnte meine Stirn an das
kühle Glas und horchte in mich hinein. Der Sturm der Entrüstung, der in mir
getobt hatte, als ich erfuhr, dass er bei Michaela Rüttner gewesen war, und den
ich erfolgreich verdrängt hatte, war auf das Maß abgeflaut, das es mir
gestattete, in Ruhe darüber nachzudenken. Er konnte Wein trinken, mit wem immer
er wollte. Auch mit Michaela Rüttner. Warum nicht? Die beiden hatten sich
sicher eine Menge zu erzählen. Sie als Biologielehrerin und er als Förster. Er
konnte ja den Ranger für ihren Fledermausklassenausflug machen. Sie würden
sicher eine Menge Spaß miteinander haben. Und sie waren im selben Alter.
    »Nationalparkverwaltung
Gemünd, Ettelscheid«, meldete sich Steffen nach dem dritten Klingeln.
    »Warum erzählst du mir
nicht, dass du bei der Rüttner warst?«
    »Weil die Verbindung
plötzlich wieder weg war.«
    »Unsinn! Die Tatsache, dass
sie von der Mail wusste, macht sie zur Verdächtigen Nummer eins, und ich
verspreche dir, wenn Judith mit ihrem Bericht fertig ist und gleich Sauerbiers
Tür aufgeht, ist er auf dem Weg zu deiner Michaela, um sie vorläufig
festzunehmen.«
    »Sie ist nicht ›meine‹
Michaela, Ina. Ich wollte nur in der Sache vorankommen.«
    »Warum bist du überhaupt zu
ihr gegangen, ohne dich mit mir abzusprechen?«
    »Ich dachte, bevor wir beide
am nächsten Tag hochoffiziell bei ihr auflaufen und ein Riesenfass aufmachen,
bringt ein kurzer Privatbesuch vielleicht mehr.«
    Ich biss mir auf die Lippe.
Steffen führte dieselben Gründe an, die ich mir an dem Abend zurechtgelegt
hatte. Viele Dinge ließen sich informell besser regeln. Alte Eifler Weisheit.
    »Wir sprechen später noch
mal. Jetzt muss ich weitermachen«, sagte ich und wollte auflegen, obwohl mir
sehr daran gelegen war zu erfahren, was die Rüttner ihm gesagt hatte. Noch mehr
war mir allerdings daran gelegen,

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