Eifler Zorn
Bianca?«
»Sie mussten weg.«
»Warum?«
»Weil sie schlecht waren.«
»Die Hände des Jungen?«
Bianca Friese schüttelte den
Kopf. » Seine Hände.«
»Arno Koblers Hände.«
»Ja.«
»Hat er Ihnen wehgetan?«
»Ja.«
»Was hat er getan?«
»Er hat mich geschlagen.«
»Haben Sie sich gewehrt?«
Es dauerte einen Moment, bis
sie antwortete. »Ich habe an etwas anderes gedacht.«
»Woran haben Sie gedacht?«
»An …« Sie antwortete
nicht, sondern weinte, ohne die Tränen zu spüren. Ihre Haut auf den Wangen war
taub.
»Wie war es vorher?«
»Da hab ich mich auf ihn
gefreut.«
»Waren Sie mit ihm
verabredet?«
»Nein. Ich hatte gehofft,
dass er kommt.«
»Hatten Sie eine Beziehung
zu Arno Kobler?«
»Ja.«
»Eine intime Beziehung?«
»Ja.«
»Seit wann?«
Bianca Friese sah auf. Ihr
Blick wurde weich. »Seit ein paar Tagen. Zuerst war er sehr aufmerksam.
Freundlich. Er hat mich gut behandelt.«
»Aber dann hat er Sie nicht
mehr gut behandelt.«
Bianca Friese fiel wieder in
sich zusammen. »Nein, nicht mehr.«
»Wann haben Sie Arno Kobler
das letzte Mal getroffen?«
»Am Tag vor seinem Tod.«
»Wann genau?«
»Abends in der Disco.«
Sauerbier räusperte sich.
»Sind Sie gemeinsam mit ihm gegangen?«
»Nein.« Sie schüttelte den
Kopf. »Nein, das stimmt ja nicht. Zuerst ja. Ich bin mit ihm nach draußen vor
die Tür gegangen.«
Sauerbier schwieg und
wartete.
»Wann hat er Sie geschlagen,
Bianca?«, fragte Judith Bleuler leise. Bianca sah sie stumm an. »An diesem
Abend, dort draußen vor der Disco?«
»Ja.«
»Hat es jemand gesehen? Der
Türsteher vielleicht?«
»Nein. Wir waren zu weit
entfernt vom Eingang. Er hätte mir sonst sicher geholfen. Ich bin dann zurück
in den Club.«
»Können Sie das beweisen?
Gibt es Zeugen?«
»Den Mann am Eingang?«
»Haben Sie mit niemandem
gesprochen?«
»Doch. Vorher. Ein Mann hat
mich angesprochen. Er hieß Steffen. Es sah so aus, als ob er Arno kannte. Er
war noch da, als ich wieder reinkam.«
»Wir werden das überprüfen«,
warf Sauerbier ein und machte sich eine Notiz. »Erzählen Sie uns, was geschehen
ist. Was war mit den Händen?«
Bianca erstarrte. Wenn er
wollte, dass sie es ihm erzählte, würde sie sich erinnern müssen. An ihre
Gedanken, an die Angst, die sie gehabt hatte, und an die Zeit, die Sekunden,
die Minuten, die Stunde, an die sie keine Erinnerung mehr hatte und von der sie
nichts wissen wollte. Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen,
wollte sich ausschließen. Weg. Weg von hier. Ihr Herz raste. Sie schwitzte.
Ruhe bewahren! Der oberste Grundsatz. Sieben Zeichnungen, Haare wie Helme,
starr und steif. Seine Finger in ihrem Mund. Der Druck auf ihrer Kehle. »Erste
Hilfe muss immer wieder trainiert werden.« Sie hatte es nicht vergessen. Der
Arzt hatte recht behalten. Es war wiedergekommen.
»An den Händen des Jungen
haben Finger gefehlt. So wie damals, als ich …« Sie stockte. Kämpfte den
Pulsschlag in ihren Ohren nieder. »Als er mich …« Sie verstummte, schaffte
es nicht.
»Als was geschehen ist?«
Judith Bleulers Stimme hatte einen angenehmen Klang. Sie beruhigte sie und gab
ihr das Gefühl, in den richtigen Händen zu sein. Judith Bleuler hatte gute
Hände. »Ich habe von der Anzeige gelesen«, fügte sie sanft hinzu. »Es gibt einen
Eintrag.«
Bianca sah ihr in die Augen
und erkannte, dass Judith Bleuler Bescheid wusste und sie keine Scheu mehr
haben musste, es endlich auszusprechen.
»Als ich vergewaltigt wurde.
Ihm fehlten zwei Finger. Ich hab die Stümpfe auf meiner Haut gespürt. Hab mich
geekelt. Er hatte schlechte Hände.«
»Und dem toten Jungen in der
Kiste fehlten ebenfalls Finger?«
»Ja. Auch zwei.«
»Was haben Sie gedacht?«
Sauerbier.
»Ich weiß es nicht mehr. Ich
habe nicht gedacht. Es war so … Ich war wie … Ich weiß es nicht mehr.
Ich habe sie weggemacht, damit ich sie nicht mehr sehen musste.«
»Wo haben Sie sie
hingebracht?«
»In den Bach geworfen, der
hinter der Baustelle fließt.«
»Und dann?«
»Habe ich die Polizei
gerufen.«
»Arno Koblers Hände, liegen
die auch in der Urft?«
»Nein. Sie sind bei mir. In
meinem Wohncontainer. Ich hab sie da gefunden.«
»Sie haben sie in ihrem
Wohncontainer gefunden? Wollen Sie sagen, dass jemand anderes sie dort
hingelegt hat?«
»Nein. Ich war es. Auch wenn
ich mich nicht erinnere.«
»Warum haben Sie sie dorthin
gebracht?«
»Ich weiß nicht.«
Sauerbier beugte sich vor. »Sie
können sich also nicht
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