Eigentlich bin ich eine Traumfrau
offenbar hilft es Tanja, einen Mann fertigzumachen. Auch wenn Peter nur eine Stellvertreterfunktion einnimmt. SchlieÃlich gelingt ihr ein zittriges Lächeln, und sie fragt, wie es uns anderen eigentlich gehe.
Toni, die unschlagbar Souveräne, errötet und weicht aus: »Ach, bei mir ist nichts Spannendes passiert. Wie war das Treffen mit deinem Schriftsteller?«
Irgendetwas stimmt da nicht. Sie verheimlicht etwas. Aber sie liefert mir das Stichwort, mit dem der Abend eigentlich beginnen sollte. Ich berichte also in allen Details von meiner Nacht mit Rafael, nur die nachtblaue Satinbettwäsche lasse ich unerwähnt. Die Meinungen driften weit auseinander. Tanja erscheint das alles ziemlich romantisch, bis auf die Tatsache, dass ich gleich am ersten Abend mit ihm geschlafen hatte. Toni hingegen findet die Sache mit dem verfrühten Sex gar nicht so wild, dafür beschäftigt sie etwas anderes: »Aber du hast doch kein ernsthaftes Interesse an ihm, oder?«
»Wieso?«, frage ich überrascht.
Natürlich ist es ernst, ich will den Rest meines Lebens mit ihm verbringen.
»Ich meine ja nur. Er soll ja ziemlich erfolgreich bei Frauen sein mit seinem Schlafzimmerblick und der egozentrischen Befindlichkeitsprosa. Aber seine Eskapaden sind wohl meistens nicht von Dauer.«
Ich habe im Internet keine Hinweise auf eine möglicherweise kurze Dauer von Beziehungen im Falle des Schriftstellers Rafael B. gefunden. Und selbst wenn? Das beweist doch nur, dass er die Richtige noch nicht gefunden hat.
»Ich finde nicht, dass er einen Schlafzimmerblick hat. Und woher willst du eigentlich wissen, wie lange seine Beziehungen halten?«
»Alexander hatte mal so etwas erwähnt, der kennt ihn wohl ein bisschen. Der Literaturbetrieb halt.«
»Alexander ist eben ein SpieÃer, der alles nur mit seinem gemütlichen GroÃbürgertumshintergrund beurteilt und lieber nicht über andere herziehen sollte«, sage ich.
»Woher willst du eigentlich wissen, was Alexander für einen Hintergrund hat?«, kontert Toni. »AuÃerdem ist er überhaupt nicht über ihn hergezogen. Ich habe das nur mal in einem einzigen, winzigen Nebensatz im Zuge eines langen, äuÃerst interessanten Gesprächs über ganz andere Dinge herausgehört.«
»Winzige«, geschickt eingestreute »Nebensätze« sind die fiesesten. Man kann damit, ohne zu viel schlechtes Licht auf sich selbst zu werfen, kleine Gehässigkeiten streuen, die die Gedanken des Gegenübers ziemlich beschäftigen. Ich wusste ja gleich, dass Alexander ein unsympathischer Mistkerl ist.
»Vielleicht hat Rafael ja einfach die Richtige noch nicht gefunden«, sagt Tanja vorsichtig.
Ich danke ihr innerlich, weil sie meine heimliche Vermutung so unbefangen ausspricht. Trotz ihrer letzten schmerzhaften Erfahrung hat sie ihren romantischen Glauben an die Menschheit nicht verloren. Und ich werde ihn auch nicht aufgeben. Auch wenn Toni es nicht versteht: Rafaels und meine Geschichte ist eben eine ganz besondere. Basta. Ich wechsle das Thema.
»Ich habe heute Morgen gleich versucht, bei dir anzurufen«, sage ich zu Toni. Als ich Tanjas beleidigten Blick sehe, füge ich hastig hinzu: »Bei dir habe ich nicht angerufen, weil ich dich nicht bei einer netten Nummer mit Hrithik stören wollte.«
Jetzt ist Tanja wieder den Tränen nahe. Ich beiÃe mir auf die Zunge, weil ich wie immer schneller geplappert als gedacht habe.
»Jedenfalls habe ich dich nicht erreicht. Wo warst du
denn?«, frage ich. Jetzt errötet Toni vom Brustansatz bis in die Haarspitzen.
»Ein Mann!«, rufen Tanja und ich gleichzeitig. Scheint so, als kämen wir allmählich alle unter die Haube. Ich rechne optimistisch mit einer Versöhnung zwischen Hrithik und Tanja.
»Ja«, beichtet Toni, »aber ich will erst darüber reden, wenn ich genauer weiÃ, ob es etwas Festes ist.«
Das ist neu. Eigentlich reden wir ausführlich über unsere Beziehungsgeschichten. Toni zeigt sich dabei vielleicht manchmal etwas zurückhaltender als Tanja oder ich, weil sie ja eher die Beraterinnenfunktion innehat. Aber die Grundkoordinaten erfährt man normalerweise auch von ihr. Und dass sie »etwas Festes« in Erwägung zieht, ist ähnlich abwegig wie ein Papst, der höchstpersönlich Kondome an minderjährige Schüler verteilt.
»Ach komm, Toni, nur ein paar kleine Infos«, bittet Tanja. Toni
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