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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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mich ruhig erst mal sanft und zärtlich küssen sollte, bevor er so über mich herfällt. Halbherzig wehre ich mich gegen seine Avancen, bis wir in seiner Villa sind. Und dann, als die Haustür hinter uns zufällt, küsst er mich endlich. Endlich. Ich bin glücklich. Ein bisschen schmeckt er nach kalter Asche, und er hat ziemlich viel Spucke im Mund, die er nun mit heftigen Zungenkontraktionen in meinen schiebt. Es gefällt mir trotzdem. Erst als seine Hand gleich wieder in meinen Ausschnitt wandert, kommen mir echte Bedenken. Was, wenn er nur das Eine von mir will?
    Â»Das geht mir jetzt etwas zu schnell«, wage ich einzuwenden.
    Kurz sieht er verärgert aus, als würde er gleich einen beleidigenden Kommentar loslassen. Vermutlich hält er mich jetzt für eine verklemmte Zicke, die erst auf seine Spielchen
eingeht und dann einen Rückzieher macht. Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet. Er lässt von mir ab, fährt sich verlegen durch die Haare und lächelt sehr süß.
    Â»Hach, wo bleiben meine Manieren. Du gefällst mir einfach so gut. Geh schon mal ins Wohnzimmer. Ich mache uns ein paar Drinks.«
    Das klingt schon besser.
    Unschlüssig stehe ich vor dem CD-Regal. Ich hätte zu diesem Anlass gerne ein wenig altmodische, romantische Musik aufgelegt, aber ich sehe nur 80er-Jahre-Pop. Und für weitere intime Zuneigungsbekundungen eignet sich weder »Macho Man« von Village People, noch Falcos »Jeanny«. Also lieber gar keine Musik. Auf dem Weg zum schwarzen Ledersofa stolpere ich beinahe über den weißen Flokati. Ich bin wirklich betrunken. Rafael offenbar auch. Nachdem er die Drinks auf dem Beistelltisch platziert hat, fällt er ungeschickt auf das Sofa und hat mich sofort wieder im festen Klammergriff. Mir muss irgendetwas einfallen, das ihn ablenkt. Ich muss irgendetwas Interessantes sagen. Irgendetwas, das ihm verdeutlicht, dass es sich bei mir um sein ernstzunehmendes Gegenstück mit aufregendem Innenleben handelt und nicht um irgendein dummes Püppchen, das man mal eben so abschleppen kann.
    Ich drücke ihn ein Stück von mir weg.
    Â»Ich fand sehr spannend, was du über die Kraft der Literatur gesagt hast. Ich schreibe nämlich auch.« Das ist nicht einmal gelogen, schließlich verdiene ich damit meinen Lebensunterhalt. Wenn er nun denkt, ich hätte damit sagen wollen, dass ich wertvolle Prosatexte verfasse, ist er selber schuld.

    Rafael hält inne und blickt mich verwirrt an, so als würde er mich gar nicht richtig sehen. »Klasse, echt, das habe ich mir schon gedacht. Du hast diese kreative Aura. Ich würde wirklich gerne mal lesen, was du schreibst.«
    Und schon saugen sich seine Lippen wieder an meinem Hals fest. Ich gebe auf und lasse zu, dass er sich an meinem Rücken zu schaffen macht, um den Reißverschluss zu öffnen. Wir sind wohl beide zu betrunken, um uns auf der geistigen Ebene anzunähern, und ich kann jetzt ja auch nicht einfach abhauen.
    Â»Du siehst toll aus«, ächzt er, obwohl er gar nichts sehen kann, weil er seinen Kopf zwischen meine Brüste gepresst hat.

    A m nächsten Tag erwache ich nicht. Ich habe nämlich gar nicht geschlafen, wir haben uns die ganze Nacht auf Trab gehalten. Er hat viel romantischen Unsinn geflüstert, und ich habe hoffentlich eine richtig gute Figur gemacht. An den richtigen Stellen geseufzt und die Geräuschkulisse mit kunstvollen Crescendos gesteigert. Um all das, was ich vorgegeben habe, wirklich zu empfinden, war ich leider zu aufgeregt. Er ist dann irgendwann eingeschlafen. Schlafend sieht er sehr süß aus. Viel unschuldiger, als wenn er einen immer so dreist angrinst. Ich puste sanft gegen eine Stirnsträhne. Er kommt zu sich. Aber leider nicht, indem er langsam seine Augen öffnet, um dann beim Anblick der wunderbaren Frau an seiner Seite etwas Zärtliches zu hauchen. Stattdessen gähnt er laut, ohne sich die Hand vor
den Mund zu halten, und krächzt: »Scheiße. Wie spät ist es denn?«
    Die Frage beantwortet er sich mit einem Blick auf den Wecker selbst. »Oh, ich muss gleich weg. Ich habe noch eine Verabredung.«
    Mist. Das war eigentlich mein Text. Ich wollte ihm doch zeigen, dass ich eine coole, unabhängige Frau bin, die nicht verzweifelt darauf wartet, dass der Typ der vergangenen Nacht sie nun auch noch zum Frühstück einlädt. Er sollte nicht denken, dass ich verkappte Hinweise,

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