Eigentlich bin ich eine Traumfrau
schüttelt den Kopf.
»Es ist dir peinlich«, stellt Peter fest. »Darüber reden hilft.«
»Wie geht es eigentlich dem Alabasterschweinchen?«, giftet Toni ihn an.
A m Sonntagmorgen wache ich auf und bin nervös. Rafael und ich sind uns ja ziemlich schnell ziemlich nahe gekommen, â körperlich zumindest. Jetzt müssen nur noch unsere Seelen nachholen, was unseren Körpern schon gelungen ist. Worüber soll ich nur mit ihm sprechen? Einfach weiter zuhören, beruhige ich mich. Ich werde mich damit begnügen,
seine genialen Einfälle humorvoll zu kommentieren.
Da klingelt das Telefon.
Es ist meine Mutter.
Sie schluchzt. »Ich glaube, dein Vater geht fremd.«
Ich falle in Schockstarre, bis mir einfällt, dass es sich hier um meine Mutter handelt. Die hat ja oft merkwürdige Ideen. Und dass der treueste aller ergebenen Ehemänner, der zudem mein Vater mit dem schlohweiÃen Haar ist, nun in fremde Betten hüpft, halte ich doch für ziemlich ausgeschlossen.
Also rede ich einfach beruhigend auf sie ein.
»Aber wieso hatte er dann ein fremdes Höschen in seiner Aktentasche, als ich ihm die Thermoskanne reingelegt habe?«, fragt sie beinahe triumphierend.
Am Ende will sie eben doch â wie alle Mütter â einfach nur Recht behalten. Bei dem »Höschen« handelt es sich um einen türkisen Spitzenstring in â um der Perversität die Krone aufzusetzen â GröÃe 48. Das scheint meine Mutter am meisten zu erbosen. Da quält sie sich nun mit Yoga, Pilates und Hanteln, und »er greift in die widerlichen Speckschwarten eines Monstrums«.
Ich kann es nicht fassen, dass die Frau, die letzte Woche noch in knallbunten Kleidern vor mir Pirouetten gedreht hat, nun am Boden zerstört ins Telefon plärrt. Und dass mein bislang unbescholtener Vater daran schuld sein soll. Ich habe ja immer befürchtet, sie selbst würde in einem Anfall von Jugendwahn mit einem jungen Kreativen durchbrennen. Was läuft verkehrt, wenn nicht einmal mehr auf unsere Eltern Verlass ist? Nun, vermutlich können sie auch nichts dafür.
Die Sechzigjährigen von heute sind eben die DreiÃigjährigen von damals. Und als »Best-Ager« und »Silver-Sexer«, und was die Werbeindustrie ihnen noch so alles anhängt, plagen sie sich mit den gleichen Orientierungsproblemen wie unsereins herum. Ich empfehle ihr, ihn erst mal nicht darauf anzusprechen. Das könnte nach hinten losgehen und erst recht Begehrlichkeiten nach einer Liebhaberin wecken.
»Du willst ihn doch zurückhaben, oder?« frage ich bang.
»Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher«, flüstert sie.
Ich bitte sie, nichts zu überstürzen und mich dafür am kommenden Wochenende zu besuchen, damit wir in Ruhe über die nächsten Schritte nachdenken können.
Als ich auflege, stelle ich fest, dass ich sie zum ersten Mal freiwillig in meine Wohnung eingeladen habe. Aber als eine Frau mit einer nicht funktionierenden Beziehung ist sie ja jetzt eine von uns. Ich werde ganz vernünftig mit ihr reden, wie ich es mit einer guten Freundin machen würde. Und sie wird in mir endlich die erwachsene, scharfsinnige Frau sehen und mich dementsprechend behandeln. Aber mich stört, dass mich dieses Seitensprungthema so penetrant verfolgt. Oder sollte mich das vielmehr beruhigen? Wenn laut Statistik 50 Prozent aller Partner fremdgehen, und in meinem Bekanntenkreis die Untreuequote â wenn man Hrithiks Zukunft in brasilianischen Betten einrechnet â bei etwa 75 Prozent liegt, ist es doch äuÃerst unwahrscheinlich, dass es mich auch noch treffen wird, oder? Obwohl, um das zu entscheiden, müssten Rafael und ich wohl erst mal ein richtiges Paar werden.
S chuldbewusst denke ich an Tonis Eltern, an Tanja und Hrithik und dann daran, dass ich tatsächlich mal groÃzügig geglaubt habe, ich würde meinem Vater die Sekretärin gönnen. Ich habe wohl nur deswegen kurz daran gedacht, weil ich mir sicher war, dass es sowieso niemals passieren würde. Bei meinem Aufstieg zur Dichtermuse habe ich irgendwie das Beziehungsleben aller Menschen in meinem Umfeld zerstört, sogar das meiner Erzeuger. Das Universum verträgt sicher nur eine begrenzte Menge Liebesglück.
Und genauso sicher sind es meine Gedanken gewesen, die meinen Vater zu seiner Verzweiflungstat getrieben haben. Man muss sich das wie eine Art
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