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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Negativ-Visualisierung vorstellen. Wenn man seine Ziele erreichen kann, indem man sie sich bildlich vorstellt, funktioniert das sicher auch, wenn man über eine mögliche Affäre des eigenen Vaters mit seiner Sekretärin sinniert. Wobei: Die trägt auch in meinen Gedanken nicht Größe 48, und so explizit bildlich bin ich gar nicht geworden. Pfui, das wäre ja auch zu grauenhaft. Mein Vater im Bett mit … . Nein, er ist vielleicht doch von ganz allein darauf gekommen, kein Wunder nach dem Malik-Schock. Und für die Probleme von Tonis Eltern kann ich eigentlich auch nichts. Zur gedanklichen Katharsis werde ich sofort mit etwas positiver Visualisierung gegensteuern: Rafael und ich Arm in Arm in gleichfarbigen Schals im Winter im Park, wo wir uns in den Schnee legen und Engelchen machen. Rafael, der unaussprechliche Sachen mit mir treibt, Rafael, der voller Bewunderung für das weibliche Mysterium meinen rundlichen Babybauch streichelt.

    Es funktioniert. Das Telefon klingelt prompt – eine Stunde vor unserem verabredeten Termin. Rafael hat sicher Sehnsucht, und ich habe sie allein mit positiver Gedankenkraft erzeugt!
    Â»Ich schaffe es heute leider nicht. Ich muss noch etwas schreiben.«
    Das gefällt mir ganz und gar nicht.
    Â»Ich muss auch noch etwas schreiben, nämlich das Interview«, gifte ich.
    Dann fällt mir ein, dass er mich hoffentlich noch als entspannte Liebesgöttin vor Augen hat. Da ist es unangebracht, nun die zickige Langzeitpartnerin zu geben. »Das passt dann ja ganz gut. Schickst du mir trotzdem nachher noch die Antworten auf meine Fragen? Ich muss den Text nämlich morgen abgeben«, flöte ich professionell gelassen und versuche so, meinen Fehler wieder auszubügeln.
    Â»Ja, klar. Und wenn ich es heute nicht schaffe, spätestens morgen früh, versprochen.« Er klingt erleichtert und lädt mich für Montagabend zum Essen ein. Ich hüte mich davor, begeistert »Au ja!« zu brüllen. Huldvoll entgegne ich, dass ich darüber noch keine gesicherte Auskunft geben könne. Dann lege ich auf.
    Gottverdammter Mist! Und was, wenn an diesem Morgen noch eine Interviewerin bei ihm aufgetaucht ist, und er sich nun mit ihr in den Laken wälzt? Irgend so eine dämliche Magazinjournalistin, die ihn fragt, ob er Single sei oder ein Lebensmotto habe? So ein Typ wie Alexanders Freundin, die auch im Spätherbst weder Winterspeck ansetzt, noch Sonnenbräune verliert. Ich beiße in mein Sofakissen, dann versuche ich es noch mal mit der positiven Visualisierung.
Es hilft nicht. Zum Glück gelingt es mir, Toni zu einem langen DVD-Nachmittag zu überreden. Sie klingt sogar ganz dankbar und verzichtet auf Kommentare wie »Habich-dir-doch-gleich-gesagt«. Trotz all ihrer unerklärlichen Abneigung gegen Rafael ringt sie sich sogar ein ermutigendes »Vielleicht muss er wirklich arbeiten« ab.
    Es ist so herrlich. Wer braucht schon Männer, wenn es Freundinnen gibt? Wir lümmeln in gemütlichen Klamotten auf meinem Sofa und sehen uns düstere Romantikfilme wie Bram Stokers »Dracula« und Kenneth Branaghs »Frankenstein« an, die sich eindeutig nicht an die literarische Vorlage halten. Aber sie sind wirklich sehr hilfreich. Ich kann mir einreden, dass es viel besser ist, keine oder eine ungewisse Beziehung zu haben, als eine, an deren Ende man seinem Geliebten den ohnehin schon blutigen Kopf abhacken muss. Es ist auch besser, allein zu sein, als auf ein zusammengenähtes Monster mit existenzialistischen Fragen in seiner mehrfach zerteilten Brust zu treffen, das einem das Herz herausreißt. Als Frankensteins rachsüchtiges Monster das noch pumpende Organ der Geliebten seines Erbauers in die Kamera hält, bin ich schon wieder ganz gut gelaunt. Vielleicht auch wegen der vielen glückshormonbildenden Zartbitterschokolade, die einen gesunden Kontrast zum preisgünstigen Rotwein bildet.
    Â»Zumindest«, seufze ich, »zumindest leben in diesen Filmen die Helden noch monogam. Wie geht es eigentlich deinen Eltern?«
    Â»Sie werden sich wohl scheiden lassen – nach sechsunddreißig Ehejahren.«
    Unvorstellbar, so lange verheiratet zu sein. So lange habe
ich bis jetzt nicht einmal gelebt. Ich erzähle ihr von meinen Eltern.
    Â»Verfluchte Scheiße«, murmelt Toni nur.
    Ich nicke zustimmend. Besser kann man die aktuelle Lage gar nicht auf den Punkt bringen.
    Â»Kann ich bei dir

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