Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Fragen geschickt, sondern auch einen unwiderstehlichen Vorschlag beigefügt: »Heute Abend, 20 Uhr, in der kleinen Bar?«
Unauffällig winke ich Toni zu mir. Ich schmelze dahin und bin bereit, ihm alles zu vergeben, was er jemals getan hat oder noch tun würde. Toni liest die E-Mail und tippt dann über meine Schulter hinweg lässig eine Antwort. »Heute geht es leider nicht.«
Blitzschnell verschickt sie die E-Mail.
»Spinnst du?«, zische ich.
Ich bin echt sauer. Das geht nun wirklich zu weit. Sie kann mir ja gerne Ratschläge geben, aber aktiv in mein Beziehungsleben einzugreifen, das geht wirklich zu weit.
»Alles in Ordnung?«, fragt Picard â immer noch ohne französischen Akzent.
Seine neue deutsche Ernsthaftigkeit und Schwermut irritieren mich sehr.
»Antonia, kann ich kurz mit dir reden?«, fragt er. Oh, er hat sie Antonia genannt. Das hasst sie. Jetzt fängt er sich eine. Aber was tut sie da? Sie folgt ihm gehorsam, als er das Zimmer verlässt. Sie sieht auch kein Stück zornig aus. Ihr Kopf ist knallrot und das Zucken in ihrem Gesicht verrät, dass gleich Tränen kullern werden. Sehr ungewöhnlich bei Toni. Auch Picard macht einen verstörten Eindruck.
Da dämmert mir etwas. Etwas so unfassbar Schreckliches, dass es mich schier umhaut. Ich sehe zu Diana, die den beiden mit ebenso misstrauischer Miene hinterherschaut. Als Toni eine Weile darauf mit abwesender Miene wieder ins Zimmer kommt, habe ich ihr schon längst eine E-Mail geschickt.
»Du kleine Schlampe ;-) Mr. X ist Picard! Wie konnte das passieren? Nachdem du mir meinen Abend versaut hast, gehst du mit mir einen trinken und wirst mir alles erzählen!!!!«
Toni schreit auf. Ich liebe die neuen Kommunikationsmittel. Zwei Menschen sitzen in einem Raum und können sich von allen anderen unbemerkt über die intimsten Dinge unterhalten. Diana würde eingehen, wenn sie davon wüsste.
Ãtsch! Aber die sitzt ganz scheinheilig an ihrem Platz und plant zweifellos eine neue Gehässigkeit. Dass sie vermutlich an die Decke gehen wird, wenn sie davon erfährt, ist aber auch schon das einzig Gute an der Sache. Wie kann ausgerechnet Toni so etwas passieren? Sie ist doch meine unfehlbare Beraterin. Eine, die eben keine Affäre mit dem Chef anfängt. Eine, die sich von Männern wie dem Charmeur und Amateurfranzosen Picard fernhält! Sie ist doch auf der Welt, um einen von genau solchen Dummheiten abzuhalten. Sie verhindert, dass man sich auf der Weihnachtsfeier danebenbenimmt oder zu viele Tränen über nutzlose Männer vergieÃt. Wie soll ich ihre Ratschläge jemals wieder ernst nehmen? Noch schlimmer: Wieso habe ich nie auch nur das geringste Anzeichen wahrgenommen? Wohin ist meine Intuition entfleucht? Toni und PaPi sind sich doch stets mit beiÃendem Spott begegnet. Oder war das ihre Art zu flirten? Ich bin eine hundsmiserable Freundin ohne jede Menschenkenntnis. Es hätte mir auffallen müssen, als Toni beim Shoppen etwas so Haltloses behauptete wie, dass Baskenmützen wieder in Mode kämen. Und erst der neue knallrote Lippenstift zu den nur dezent betonten Augen, wo sie früher doch eine Meisterin der fehlerfrei umrahmten Smokey Eyes gewesen ist. Das ist eine eindeutige Abkehr zum French Chic, passend zum French Kiss, den sie zu diesem Zeitpunkt sicher schon mehrmals durchexerziert hat. Ich fühle mich betrogen, ja, richtiggehend verraten. Ausgerechnet diese Frau hat mein Date mit Rafael verhindert und meine Männerauswahl als »unvernünftig« kritisiert! Und, oh mein Gott, werden Toni und Picard jetzt zum zweiten Ressort-Pärchen mit perversen Geschenkideen mutieren?
Nur dass sie keine Palmen von der Thailandreise, sondern schimmeligen Rohmilchkäse von Bootsfahrten an der Loire mitbrächten.
Pling. Sie hat mir geantwortet: »Heute Abend geht es leider nicht.«
Jetzt schickt sie mir auch noch genau den gleichen Text, den sie in meinem Namen an Rafael gesendet hat.
Aber da kommt noch eine E-Mail hinterher:
»Es sei denn, du begleitest mich zu meinem Abendtermin: der Verlagsgeburtstag von Grünbaum & Grünbaum mit Canapés und Sekt. Und weil du auÃer Dienst bist, dürftest du den ja sogar trinken. Fängt um 20.30 Uhr an. Könnte schon um 19 Uhr zu dir kommen. Dann erzähle ich dir alles. Bitte sei mir nicht böse.«
Ich bin ein wenig versöhnt und willige ein. Obwohl ich Empfänge ja immer
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