Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
Vom Netzwerk:
stinklangweilig finde. Zum Glück darf man als Pressevertreter auch einfach mal bedeutsam beobachtend in der Ecke stehen, ohne gleich für den kontaktaufnahmeunfähigen Soziopathen mit fehlender Small-Talk-Gabe gehalten zu werden, der man ist. Und selbst wenn, das wäre es mir wert, jedes schmutzige Detail dieser schockierenden Geschichte zu erfahren. Direkt im Anschluss tippe ich trotzig noch eine E-Mail an Rafael.
    Â»Aber morgen habe ich vermutlich Zeit.«
    Von Toni lass ich mir nichts mehr sagen.
    Â»Erwarte dich willig auf meiner Lustwiese«, kommt prompt die Antwort.
    So, jetzt muss ich nur noch das Interview in das Textlager kopieren und ein wenig redigieren. Arme Diana, zwei Schlappen an einem Tag: Ich habe ein Super-Interview in
petto, und Toni hat sich auf Picard eingelassen. So kann’s gehen, denke ich schadenfroh. Die gute Laune versetzt mich in großmütige Stimmung. Ich beschließe, André zu besuchen und ihm die Palmensamen zu schenken. Ich bin mir sicher, er ist einer von den verantwortungsbewussten Männern, die umgeben von Yucca-Palmen leben und diese auch noch regelmäßig gießen. Wenn ich mich recht entsinne, hat er mir das sogar mal in einem unserer kurzen Gespräche erzählt. Und wenn ich schon so oft seine Einladungen zum Mittagessen ausschlage, kann ich ja zumindest seine Wohnung begrünen – als freundschaftliche Geste.
    André beäugt die Tüte, die ich ihm überreiche, zunächst etwas misstrauisch, nimmt sie dann aber doch. Ich erzähle ihm kurz die Geschichte mit der Thailandreise von Klaus und Anna, damit er nicht auf falsche Gedanken kommt. Beispielsweise, dass ich die Samen extra für ihn gekauft hätte und ihnen irgendwann mal in seine Wohnung folgen wollte. Obwohl ich versuche, die Anekdote launig rüberzubringen, verzieht André keine Miene. Im Gegenteil, er sieht mich an, als hätte ich mich gerade nach vollzogener heißer Liebesnacht als mörderische Gottesanbeterin entpuppt.
    Â»Deine Kollegen bringen dir aus Thailand ein Geschenk mit, und du verschenkst es direkt weiter? Das ist herzlos.« Er schüttelt den Kopf. Sein Kommentar hätte von einem meiner Freunde stammen können, wäre dann aber von einem Grinsen begleitet gewesen. André hingegen wirkt ernsthaft geschockt. Ob irgendetwas diesen Mann entkrampfen könnte?
    Â»Danke trotzdem. Hast du schon eine Verabredung zum Mittagessen, Juli?«

    So geschockt ist er offenbar doch nicht. Ich wage es nicht abzulehnen. Er hämmert mit dem akkurat gespitzten Bleistift, den er zwischen Daumen und Zeigefinger hält, immer wieder so nervös auf den Tisch, dass ich fürchte, er könnte mich aus Versehen damit erstechen, wenn ich eine falsche Antwort gäbe.
    Â»Nein«, sage ich, »sollen wir jetzt gleich gehen?«
    Mit einem aufgesetzten Lächeln folge ich ihm in die Kantine und weiß sofort wieder, warum ich sonst immer mit Toni auswärts speise. Dichtes Gedränge an langgezogenen Tischen im beinahe fensterlosen Raum, zu Brei gekochtes Gemüse an Bratwurstschnecken und dazu nicht einmal fröhlicher Tratsch, sondern das langweilige Gemurmel derjenigen Kollegen, an denen nur ihre Farblosigkeit auffällt. Die sollten auch öfter mal zwischendurch diesen Laden verlassen, damit sie ein bisschen Sonne und etwas von dem Leben außerhalb der Redaktion abbekommen. Ich meine, das sollten Journalisten doch ab und zu, oder?
    André scheint es zu gefallen. Er entrollt genussvoll die eingedrehte, schön gleichmäßig angebrannte Wurstmasse mit Messer und Gabel.
    Â»So schlecht wie alle sagen, ist die Küche doch gar nicht, oder?«, sagt er kauend. Dabei spritzt ihm etwas Fett aus dem Mund direkt auf meinen Teller.
    Â»Nein, die ist schon in Ordnung«, sage ich und unterdrücke tapfer den aufkeimenden Brechreiz. Es ist doch zu albern, dass ich so empfindlich auf etwas fremde Körperflüssigkeit reagiere. Das kann doch wohl jedem mal passieren, dass ihm etwas aus dem Mund fällt. Aber auf keinen Fall kann ich mein Essen jetzt noch anrühren. Was tue ich
nur? Ich hab’s. Ich weiß, wie ich gleich zwei Probleme auf einmal beseitige.
    Â»Ich glaube, ich bekomme heute gar keinen Bissen runter.«
    Â»Wieso?«, fragt er und sieht fast ein wenig besorgt aus.
    Â»Ach, ich treffe mich heute mit meinem neuen Freund, und das ist alles noch ganz frisch. Ich bin ein wenig aufgeregt, weißt du?«,

Weitere Kostenlose Bücher