Eigentlich bin ich eine Traumfrau
wenn auch in erster Linie als Gegenentwurf zu Peters pessimistischer Weltansicht. Der ist gerade frisch verlassen worden, da darf er schon mal an der Liebe zweifeln. Aber ich muss dem schlechten Vorbild ja nicht nacheifern.
»Ich muss mit dir reden«, sagt Rafael ernsthaft.
»Huch, ich auch mit dir.« Ich kichere.
»Wir können uns nicht mehr treffen«, sagt er.
Das ist endlich ein gutes Zeichen. Wenn einen Mann die Gefühle übermannen, schafft er erst einmal ein wenig Distanz und verkriecht sich in seine Höhle, sagt John Gray in seinen Büchern über die Marsmänner und die Venusfrauen. Wenn man nun nicht zwanghaft versucht, ihn wieder rauszuzerren, kommt er von ganz alleine wieder angeprescht, um sich mit vollem Anlauf in eine wirklich enge Beziehung zu stürzen.
»O.K.«, sage ich deshalb und kichere wieder.
»Toll, dass du es so locker nimmst.« Er klingt erleichtert. Noch. Bald wird er mich ja sehnsüchtig vermissen, und das hat dann nichts mit sprachloser Geilheit zu tun, sondern mit dem ernsthaften Wunsch, sich mir ganz und gar hinzugeben. Himmel, bin ich betrunken.
H ast du heute schon einen Blick in die Bild geworfen?«, fragt mich Toni bei der Arbeit behutsam. Sie klingt wie eine Ãrztin, die dem Patienten mitteilen muss, dass er nur noch drei Monate zu leben hat. Diese veranschlagten drei Monate verkürzen sich schlagartig auf drei Sekunden, als Toni die Seite vier aufschlägt. Dann ist alles vorbei. Mir wird schwindlig. Ich sehe weiÃes Licht und weiÃ, dass es â wie in dem Murphyâschen Gesetz â nicht das Licht am Ende des Tunnels, sondern das des heranfahrenden Zuges ist. Auf Seite vier ist ein Bild von Rafael und Stephanie â händchenhaltend am Flughafen, auf dem Weg zu einem Liebesurlaub auf Ibiza. Daneben haben die Schmierfinken ein Porträtfoto von einem grimmig dreinschauenden Alexander Grünbaum abgedruckt: »Wird er es überstehen?«
Nach meinem Befinden fragen die Journalisten übrigens nicht, sie wissen ja nicht einmal, dass ich existiere. Ich hingegen hatte bis zu diesem Zeitpunkt ganz vergessen, dass ich plötzlich in die Welt der »Socialites« geraten war, in denen man persönliche Dinge aus der Presse erfährt. Salzige Flüssigkeit bedeckt meine schmerzende Netzhaut. Wortlos renne ich zur Toilette. Ich höre noch Diana fragen: »Was hat die denn blo�«
Das ist tatsächlich mein einziger Trost. Rafael und ich sind ja nie öffentlich aufgetreten, und meine Freunde tratschen nicht. Diana hat also gar nichts vom strahlenden Aufstieg und tragischen Fall der jungen Juli S. mitbekommen. Die Erleichterung währt nur kurz. Sobald ich mich eingeschlossen habe, plärre ich einfach drauflos. Toni spricht durch die Klotür zu mir, sanft wie ein barmherziger Engel, der dem
Verletzten am Wegesrand neues Leben einhauchen will. »Ich dachte, ihr hättet euch wieder vertragen.«
Ich erzähle ihr von unserem Telefonat und dem kleinen Missverständnis auf meiner Seite. Von der anderen Seite kommen erstickt gurgelnde Geräusche.
»Du lachst«, schreie ich vorwurfsvoll.
»Nein, gar nicht.«
Sie hat doch gelacht. Ich bin mir ganz sicher.
Aber man muss ihr lassen, dass sie danach nichts unversucht lässt, um mich zu beruhigen. Ihr bester Vorschlag an diesem Tag bleibt zweifellos: »Komm, geh nach Hause. Ich sag, du bist krank.«
Ich folge der Aufforderung.
Zuhause weià ich nichts mit mir anzufangen. SchlieÃlich habe ich die Nummer mit den Totenmessen schon einmal durchgespielt. Die kann ich nun nicht bei jeder passenden Situation bringen, sonst würde es doch etwas melodramatisch. Ich liege also nur so rum und suhle mich auch ganz ohne Musik hervorragend in meinem einsamen Elend.
Moment, ich bin ja gar nicht allein in meinem Unglück. Ich denke an das Porträtfoto von Alexander. Noch demütigender, als gar nicht erwähnt zu werden, ist es sicher, der ganzen Welt als verlassener Mann vorgeführt zu werden. Das hat er nicht verdient. Und auch ich habe ihm kolossal Unrecht getan mit meiner völlig unzulänglichen Einschätzung seiner Person. Und Rafael hat ja nicht nur mich vor den Kopf gestoÃen. Er hat einem langjährigen Freund die Frau ausgespannt. Das ist eigentlich das Hinterletzte, sogar noch viel schlimmer, als die noch frische Beziehung zu einer anderen Frau durch einen brutalen Betrug zu beenden. Ich
spüre
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