Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Brokat. Für den Preis kann ich mir sogar noch den Schneider um die Ecke leisten, der den Riss unter dem Ãrmel behebt. Rein stilmäÃig gibt es gar keinen Unterschied mehr zwischen einer Stephanie und mir.
A ls Freiberuflerin kann ich mir meine Arbeit frei einteilen, der Mann meines Herzens auch. Rafael und ich haben also ausgiebig Zeit und Gelegenheit für Picknicks auf dem Wohnzimmerteppich, Spaziergänge in Parks und lange Gespräche in reizenden kleinen Cafés. Leider unternehmen wir nichts davon. Der Künstler leidet unter einer Schreibblockade, die sich angeblich nur dadurch beheben lässt, dass man sich in den eigenen vier Wänden verschanzt. Es bleibt bei gelegentlichem Sex (ausschlieÃlich im Schlafzimmer) und gelegentlichem Fernsehen (auf der Couch).
Zuerst finde ich es ganz schön, dass wir die Phase des
emotionalen Irrsinns und des ausgiebigen, tiefsinnigen Ergründens des anderen übersprungen haben und uns gleich so verhalten wie ein langjähriges, erwachsenes, vernünftiges Paar. Wenn mir nur nicht irgendein Teufelchen einflüstern würde, dass die Phase des Irrsinns zwangsläufig dazugehört. Damit man ein paar schöne Erinnerungen sammeln kann, auf die sich eine dauerhafte Beziehung aufbauen lässt.
U nsinn, wenn du dich dabei wohl fühlst, ist alles in Ordnung«, sagt Tanja, die bereitwillig wieder dazu übergegangen ist, eine Beziehung mit einem Künstler romantisch zu finden. Vielleicht ist sie auch nur in versöhnlicher Stimmung, weil Hrithik ihr wieder aus der Hand frisst.
»WeiÃt du, ich bin dir nicht mehr böse, Juli. Wir haben nach dem Streit erst mal ausführlich über unsere Bedürfnisse geredet. Und unser Sex ist sogar noch besser geworden«, hat sie mir vor kurzem am Telefon gestanden.
Offenbar stimmt Toni ihr eigenes Liebesglück nicht ganz so nachgiebig: »Ja, aber wenn sie sich richtig wohl fühlen würde, würde sie solche Fragen nicht stellen. Ich würde sagen: Schieà ihn ab. Ich glaube, er ist eine emotionale Pfeife.«
Ich erzähle ihnen von seinem spirituellen Interesse und der damit verbundenen Sensibilität.
»Ja, aber er ist ja wohl überwiegend sich selbst gegenüber sensibel. Wenn er ruft, fährst du sofort zu ihm. Du rufst ihn aber nicht an, wenn du ihn sehen willst, um ihn nicht zu stören. Toll für ihn, aber nicht für dich.«
Damit liegt Toni leider nicht ganz falsch, aber ich will auf
keinen Fall wie ein anhängliches Weibchen wirken. »Ganz so ist es ja nun auch nicht.«
»Was hat er denn schon mal für dich getan?«
Ich erwähne noch mal die Sache mit den Rosen.
»Klar, weil Alexander ihm klargemacht hat, dass du weitestgehend eine ganz vernünftige Frau bist, die sonst garantiert nie wieder mit ihm ins Bett springen würde.«
»Alexander hat ihm vielleicht den Kopf gewaschen, aber ihm wohl kaum den Strauà Rosen in die Hand gedrückt, das war ganz allein seine Idee.«
»Ãberhaupt Rosen, wie abgegriffen und protzig«, sagt Toni.
»Also ich finde rote Rosen eigentlich sehr romantisch«, gibt Tanja vorsichtig zu. Triumphierend blicke ich zu Toni.
»Ja, aber ein einziges groÃes Geschenk macht es doch nicht wett. Picard möchte immer wissen, wie es mir geht, und was in mir vorgeht. Und er schleppt vielleicht keinen Riesenstrauà Blumen an, überrascht mich aber mit Kleinigkeiten. Er denkt an meine Lieblingsschokolade und schiebt mir kleine Briefchen in die Handtasche. Die vielen Kleinigkeiten machenâs und nicht etwa eine übertriebene Geste, der dann nichts mehr folgt.«
Das macht mich traurig. Weil ich mir eigentlich eine Beziehung genauso wünsche, wie Toni sie beschrieben hat. Erschwerend kommt hinzu, dass ich Rafael immer noch für einen romantischen, einfühlsamen Mann halte. SchlieÃlich hat er all diese bewegenden Romane geschrieben. Auch wenn es »in denen immer nur um die Befindlichkeit unreifer männlicher Individuen geht«, wie Toni mal zickig festgestellt hat.
Wieso also erlebe ich seine romantische Seite nicht mehr? Was, wenn er sich einfach woanders romantisch verausgabt? Hat nicht jeder Dichter eine unerreichbare Idealfrau, die ihn inspiriert? Was, wenn einfach nur nichts mehr für mich übrig bleibt?
An den darauffolgenden Tagen macht Rafael sich rar. Am Telefon weicht er aus. Ich will ihn nicht unter Druck setzen und spiele die selbstbewusste, niemals
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