Eigentor für Moritz
Spielbeobachtung – und genau das werden wir jetzt tun.«
»Und bei der Gelegenheit könnten wir auch gleich mal den neuen Stürmer in Augenschein nehmen«, spottet Niko. »Soll ja ’ne Granate sein, wie man hört.«
Er ist es nicht. Zwar steht Roberto in der Anfangsformation, aber er findet nicht ins Spiel. Gleich den ersten Traumpass in die Schnittstelle der Abwehr – normalerweise tödlich – lässt er nutzlos vertrudeln. Wenig später startet er zu früh und latscht prompt ins Abseits. Die größte Chance der Grünen macht er selbst zunichte, weil er übermotiviert dem eigenen Mann in die Quere kommt und den Ball neben das Gehäuse lenkt. Mit ein paar Worten, die am Spielfeldrand leider nicht zu verstehen sind, macht der verhinderte Schütze seinem Unmut Luft. Aber jetzt vielleicht! Ein Zuspiel vom Feinsten, und Roberto steht ganz frei. Doch aus sieben Metern jagt er die Kugel in die Wolken der Südstadt.
Niko grinst schadenfroh. »Respekt«, lästert er. »Das war schwieriger, als ihn reinzumachen.«
Kurz darauf ein leichtfertiger Ballverlust des Spaniers. Die Schwarzbachtaler greifen dankbar zu. Ein blitzsauberer Konter, und Simon, der gute Keeper des VfB, muss seine ganze Kunst aufbieten, um den Einschlag zu verhindern.
Gemecker in den eigenen Reihen, wieder an die Adresse des Spaniers. Danach geht gar nichts mehr. Noch vor der Halbzeit wird Roberto erlöst. Der Stürmer, der für ihn eingewechselt wird, schießt den VfB mit seinem ersten Ballkontakt zur hochverdienten Führung.
»Was für ein unbegabter Trampeltreter«, sagt Niko in der Pause.
»Genau! Der hat ja gar nichts drauf.«
»Und wir wären beinahe auf ihn reingefallen.«
»Wir können dem VfB dankbar sein, dass er uns diese Flachschippe abgenommen hat.«
»Stimmt! Und charakterlich passt er sowieso besser in die grüne Truppe.«
»Aber bei uns war er doch immer so …« Enes seufzt und verstummt.
»Sag doch auch mal was!«, fordert Niko.
Aber was? Was soll Moritz dazu sagen? Roberto – ein unbegabter Freizeitkicker? Dann wäre das perfekte Zusammenspiel zwischen ihnen also nur Zufall gewesen? Das kann er sich einfach nicht vorstellen. Unmöglich! Aber warum war Robertos Leistung dann heute so unterirdisch? Vielleicht weil er die ganze Woche krank war? Das kann an den Reserven eines Sportlers zehren. Aber unfit hat er eigentlich nicht gewirkt, auch wenn seine Sprints ihn meistens sinnfrei ins Nirgendwo geführt haben. Und Spielverständnis und ein Auge für den Nebenmann, das sind Qualitäten, denen eine kleine Grippe doch nichts anhaben kann. Was also war heute los mit dem Spanier? Und noch wichtiger, das ganze Theater um Freundschaft und so, was hat das zu bedeuten?
Moritz zuckt die Schultern. »Ich weiß doch auch nicht«, murmelt er. »Der Typ hat uns einfach verarscht.«
Enes seufzt abgrundtief. Moritz ist ähnlich zumute. Da hat er sich anfänglich so gewünscht, Roberto möge verschwinden. Nun scheint dieser Wunsch in Erfüllung gegangen zu sein. Aber zufrieden ist er damit überhaupt nicht.
Und noch einmal das Bauchgefühl
A uch im Bus am Montagmorgen ist die leidige Angelegenheit noch Thema.
»Der Idiot kann uns völlig egal sein«, erklärt Niko. »Wir brauchen ihn überhaupt nicht.«
»Sorgen mache ich mir nur um Catrina«, wirft Mehmet ein.
Alex nickt düster. »Ich mir auch. Hoffentlich nimmt sie sich die Sache nicht so zu Herzen.«
Doch, das tut sie, wie die Jungen kurz darauf feststellen müssen. Als sie im Klassenraum ankommen, räumt Catrina gerade ihren Platz und wirft ihre Sachen achtlos in ihren Rucksack. Seit sie Klassenkameraden auf der Europaschule sind, hat Moritz neben Catrina gesessen, von einer klitzekleinen Unterbrechung abgesehen, als sie mal kurzzeitig verzankt waren. Aber jetzt setzt sie sich von ihm weg, ganz ohne Zank, einfach so.
Aber es kommt noch schlimmer, denn Celina taucht auf. »Wird dieser Platz frei?«, fragt sie gespannt.
»Bitte! Du kannst ihn haben«, erwidert Catrina spitz. Ihre einladende Handbewegung schließt auch Roberto mit ein, der wieder gesund ist.
Teilnahmslos starrt er aus dem Fenster.
Auf so ein Angebot hat Celina nur gewartet. Sofort verstaut sie ihren Kram im Schubfach unter dem Tisch und richtet sich damit offensichtlich auf einen längeren Aufenthalt ein. Na toll! Nur weil Catrina sich mal wieder in den Falschen verliebt hat, muss Moritz jetzt diese Schwatzbacke neben sich ertragen.
Als Catrina gegangen ist, wendet Roberto sich wieder seiner Tischgruppe zu
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