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Ein Abend im Club

Ein Abend im Club

Titel: Ein Abend im Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gailly
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zu gehen, Debbie zu sehen, wenn er sie fand, wenn sie wirklich dort war, sie hatte gesagt, wenn schönes Wetter ist, aber man weiß ja nie, und dann musste er noch Suzanne Bescheid sagen, ja, genau, nicht vergessen, Suzanne anzurufen, dachte er beim Verlassen des Hotels.
    Was frappiert uns bei unseren allerersten Schritten an einem Vormittag, auch wenn der schon fast vorüber ist, auf einer kleinen Straße, die zum Meer führt? Die Leichtigkeit der Luft.
    Das ist natürlich nur ein Eindruck. Die Luft ist auch nicht leichter als anderswo. Es liegt eher am Geruch, oder am Licht und sicher an der Kühle, selbst unter der Elf-Uhr-Sonne, der noch feuchten Kühle der Luft, und dann natürlich am Himmel, dort wo sich das Meer mit ihm vereinigt, am völligen Fehlen von Hindernissen am Horizont, wenngleich darüber, und zwar nach Westen, eine kleine Wolkenkarawane zieht.
    Nur ein Eindruck natürlich. Aber ein Eindruck kann nur auf ein Herz wirken, das eben danach strebt, beeindruckt zu werden. Und dazu muss man sich leicht fühlen.
    Simon fühlte sich leicht. Er hatte zu viel gegessen, fünf Croissants, doch ihm war leicht ums Herz. Ihm passierten lauter angenehme Dinge, die ihm schon sehr lange nicht mehr passiert waren. Klavier spielen, Alkohol trinken, im Hotel schlafen, an einem Junitag morgens um n Uhr unrasiert auf die Straße gehen, am Meer sein, es sehen, von einem Haufen Leute geliebt werden wie am Abend zuvor, geliebt werden, verliebt sein und es glauben, kurz, er hatte ein Rendezvous.
    Denk dran, Suzanne anzurufen, sagte er sich, um sich nicht rundum glücklich zu fühlen, wäre doch schade, sich nicht ein bisschen schuldig zu fühlen, aber es macht nichts, sie wird nie davon erfahren, dachte er ein wenig feige, ein wenig schändlich, gerade so viel wie nötig, und außerdem ist das Wetter schön, also.
    Also nichts. Das Meer war weit weg. Kein bisschen Wind. Ein Haufen junger Leute fläzte sich rund um den Surfbrettverleih. Simon in seinem Straßenanzug ging an dem Ganzen vorbei und fragte sich, ob diese jungen Leute nichts Besseres zu tun hatten, als mit um die Taille gerollter Surferkluft auf Wind zu warten, nichts Besseres, als auf das Meer zu warten. Dann, als ihm einfiel, dass im Juni Ferien sind, dachte er an das Studium seines Sohnes. Das nicht sonderlich glor-, aber schließlich doch erfolgreich gewesen war. Gut so, dachte er, denn ich selbst bin keine Leuchte, seine Mutter jedoch ist intelligent und resolut wie er. Denk dran, sie anzurufen, sagte er sich und dann, hör auf zu denken, du verdirbst noch alles.
    Keine Gefahr. Das Meer ist da. Es ist immer da. Man kann weggehen, sogar für sehr lange, man kommt zurück, es ist da. Hast du mich erwartet?, fragte er. Na komm schon her, bleib nicht so ganz allein da hinten. Dummes Meer. Siehst du mich nicht? Dabei bin ich doch hier. Er musste an sich halten, um nicht zu winken, wie damals als kleiner Junge, und zu schreien: Huhu, Meer, ich bin wiedergekommen, hier bin ich. Mit offener Jacke, die Hände in den Taschen, die Augen und dann das ganze Gesicht der endlich aufkommenden leichten Brise ausgesetzt, hatte sich Simon auf dem harten, feuchten Sand vor dem Meer aufgebaut.
    Zuerst hatte er zu ihm gesprochen. Das tat er immer, wenn er zu ihm kam. Er duzte es. Das stachelte die Gefühlsbewegung an. Die Gefühlsbewegung hatte sich eingestellt, aber nicht so stark wie erwartet. Unvermutet schnell wurde er es müde, das Meer anzusehen. Sicher, weil es so niedrig war, so weit weg. Und er so alt, so müde. Er beschloss loszugehen.
    Rechts, nicht wahr? Er las noch einmal die Nachricht. Fragte sich, ob Debbie da sei. Ob sie gekommen war. Ob sie noch da sein würde. Es wäre besser, wenn nicht, dachte er. Wo noch mal? Hinter der dritten Buhne? Wieder las er die Nachricht, behielt den Zettel in der Hand, und wie ein mit der Karte in der Hand voranschreitender Forschungsreisender entdeckte er die erste Buhne. Es war 11.20 Uhr.
    Sie ist weit weg, dachte er. Ein stilles Eckchen, hat sie gesagt. Ich versteh schon, warum. Niemand bringt die Ausdauer auf, so weit zu laufen. Ich schon, aber ich, nun gut.
    Er steckte Debbies Zettel weg. Stieß auf den mit den Abfahrtszeiten. Warf noch einmal einen Blick darauf. 13.21 Uhr, las er noch einmal.
    Zwei Stunden habe ich noch, dachte Simon. Mehr als genug. Zu wenig und zu viel. Es wird weiter nichts geschehen. Wir reden ein bisschen. Ich rufe Suzanne an. Bestelle ein Taxi. Springe in den Zug. Vielen Dank. Es war ein wunderbarer

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