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Ein Abend im Club

Ein Abend im Club

Titel: Ein Abend im Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gailly
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er. Wenn Sie möchten, sagte Debbie, aber vorher müssen Sie schlafen. Sie auch?, fragte Simon. Ja, ich auch, sagte Debbie, alle Menschen gehen jetzt schlafen. Nein, sagte Simon, nicht alle, auf der anderen Seite der Welt ist es Zeit zum Aufstehen.
    Die Spazierfahrt war zu kurz. Ja, wirklich, es ist schön, spazieren gefahren zu werden von einer Frau, die man liebt, auch wenn man es nicht will, das Hirn in Watte, die Augen voller Salz, Salz der beim Gähnen geweinten Müdigkeitstränen, Tränen voller Dunst, Spiegelungen, Lichter, welche die Leere behüten, die Stille beleuchten, die verwaisten Straßen, kein Wagen außer diesem, in dem wir spazieren gefahren werden, bewegungslos und wie hingegossen: Hier rühr ich mich nicht mehr weg, dachte Simons Hirn.
    Da wären wir, sagte Debbie. Sie stieg aus, ging vorn um den Wagen herum, wie es ein galanter Mann an ihrer Stelle getan hätte. Der betreffende Mann war schon wieder eingeschlafen auf dem Todessitz. Debbie half ihm, sich aus dem Cabrio zu stemmen.
    Wie vereinbart, mussten sie zu dieser Uhrzeit, fast drei Uhr morgens, den Portier wecken. Der in Gesellschaft eines kleinen, unter dem Tresen versteckten Fernsehers in seinem Armsessel schnarchte.
    Der zu hell eingestellte Bildschirm warf von unten einen weißen Schein, Schatten, schwarz-weiße Kontraste auf sein Gesicht, wie bei einer Totenmaske. Sie sind’s, Madame Parker, sagte er. Der kennt sie anscheinend, dachte Simon.
    Ja, ich bin’s, sagte Debbie, ich habe Sie eben angerufen, um ein Zimmer für Monsieur Nardis reservieren zu lassen. Der Typ sah Simon an. Das ist der, dachte er. Ja, das bin ich, dachte Simon, der den Typen ansah, jedoch lediglich wie einen Grenzstein, wie ein letztes Hindernis vor seinem Bett.
    Ja, ja, sagte der Typ, ja, ja, er kam zu sich und hörte gar nicht mehr auf mit seinem Jaja. Geben Sie mir den Schlüssel?, fragte Debbie. Warten Sie, warten Sie, sagte der Typ, jetzt hörte er gar nicht mehr auf mit seinem Warten-Sie. Simon begann zu stöhnen: Gehen wir?, sagte er, ich kann einfach nicht mehr. Ja doch, wir gehen, sagte Debbie: Also, geben Sie mir nun den Schlüssel?
    Es war Zimmer 12 in der ersten Etage. Ein gar nicht so schlechtes kleines Zimmer, sogar eher gut, wie Simon am nächsten Morgen feststellen würde. Im Augenblick war er völlig benebelt. Und schlief vollständig angezogen wieder ein.
    Sie müssen sich ausziehen, sagte Debbie, hören Sie? Sie tätschelte ihm die Wange wie einer ohnmächtigen Dame. So können Sie nicht schlafen, sagte sie. Doch, erwiderte Simon. O nein, sagte Debbie, kommt nicht in Frage: Na los, geben Sie sich ein bisschen Mühe, ich helfe Ihnen. Simon schläft wieder ein. Debbie rüttelt an ihm. Warten Sie noch ein bisschen, Sie werden schon sehen, ich kümmere mich um Sie. Simon lacht.
    Worüber lachen Sie? Ich denke an Suzanne. Debbie:
    Ihre Frau? Ja, sagte Simon, sie kümmert sich auch so um mich, sie ist nett, Sie sind auch nett, ich bin doch wirklich ein Glückspilz, ich kenne nur nette Frauen. Halten Sie die Klappe, sagte Debbie, helfen Sie mir lieber, morgen können Sie sie anrufen.
    Suzanne schlief nicht. In ihren Ohren klingelte es. Ach, dachte sie, da wird gerade schlecht über mich geredet. Mitten in der Nacht, sicher ist er es. Ja bestimmt, aber mit wem redet er? Wem sagt er etwas Schlechtes über mich? Vielleicht niemandem, möglicherweise ist er ja auch allein. Er denkt ganz allein etwas Schlechtes von mir. Er denkt, dass er mich satt hat.
    Aber nein, Suzanne, er zieht sich aus, und wenn man im Stehen einschläft, dauert das lange und ist so mühsam, dass einem übel wird davon. Und wenn einem jemand dabei hilft, dauert es noch länger. Mir ist kalt, sagte er. Debbie brauchte ihn nicht nach seinem Alter zu fragen. Die weißen Haare auf dem Oberkörper. Die faltige Haut.
    Legen Sie sich unter die Decke, sagte sie, dann wird Ihnen warm. Simon: Ich muss pinkeln und außerdem habe ich Durst. Auch das noch. Debbie legte ihm seine Jacke über die Schultern. Okay, und jetzt gehen Sie pinkeln, trinken ein Glas Wasser und legen sich ins Bett, ich kann nämlich auch nicht mehr.
    Simon kam aus dem Badezimmer zurück. Debbie achtete darauf, dass er sich ordentlich hinlegte. Sie stopfte die Decken um ihn fest, wünschte ihm eine gute Nacht, knipste das Licht aus und ging.
    Die Wasserspülung machte Lärm. Wegen der Stille der Nacht. Aber sicher auch wegen der Dichtung am Absperrventil. Sie musste ausgetauscht werden. Dem Portier Bescheid sagen. Sie

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