Ein Abenteuer zuviel
hektische Tage, in denen Ruth kaum Zeit hatte, Atem zu holen.
Sie meldete sich zwei Mal in der Redaktion, ignorierte allerdings Francos Versuche, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Traurig hörte sie mit, wenn er auf den Anrufbeantworter sprach, und stellte fest, dass sein Ton im Lauf der Woche wegen ihrer vermeintlichen Abwesenheit immer ärgerlicher wurde. Wenn sie ihn nicht besser gekannt hätte, nicht gewusst hätte, wie allergisch er auf jede Form der Verpflichtung reagierte, hätte sie meinen können, dass in seiner Stimme ein Besitzanspruch mitschwang, den sie noch nie zuvor bemerkt hatte.
Eine Närrin hätte vielleicht Hoffnung daraus geschöpft, aber die Zeit hatte sie, Ruth, härter gemacht. Noch vor kurzem hatte sie mit Franco zusammen sein können, weil sie ihn liebte und bereit gewesen war, den Schmerz zu ertragen, den sie empfinden würde, wenn er das Interesse an ihr verlor. Doch das Baby änderte alles. Wenn sie blieb und ihm die frohe Botschaft verkündete, gab es mehrere Möglichkeiten, wie er reagieren würde.
Er konnte wütend werden und womöglich sogar denken, sie hätte ihm eine Falle gestellt, um ihn zur Heirat zu nötigen. Es wäre schrecklich, mit anzusehen, wie die Zuneigung, die er vielleicht für sie empfand, in Abneigung und Verachtung umschlug.
Er könnte sie allerdings auch zwingen, ihn zu heiraten. Und dann würde sie ihr Leben lang an seiner Seite ausharren müssen. Sie würde ihn lieben, während er zwar seine Pflichten als Vater erfüllte, seine Bedürfnisse als Mann jedoch mit jemand anderem befriedigte. Denn gab es etwas Tödlicheres für eine Beziehung als eine Mussehe?
Doch am schlimmsten wäre es, wenn er ihr das Sorgerecht streitig machen würde. Sie war zwar naiv, aber keineswegs so naiv, um nicht zu wissen, dass Geld viel bewirken konnte. Und er war ein wohlhabender Mann, wohingegen sie nichts besaß.
Wie auch immer sie alles drehte und wendete, sie sah nur einen einzigen Ausweg aus dem Dilemma - sie musste nach Hause zurückkehren.
Am Freitag war es dann so weit. Ruth hatte sich einen Lieferwagen geliehen und all ihre Habseligkeiten eingeladen. Drei Stunden hatte sie dazu gebraucht und sich so gefühlt, als würde sie mit ihrer Jugend abschließen. Sobald sie zu Hause angekommen war, würde sie ein neues Leben beginnen. Ein Leben, in dem die Liebe nur noch Erinnerungswert hatte und sie einzig nachts an die Vergangenheit denken durfte.
Wehmütig warf sie noch einen letzten Blick in die Wohnung, in die sie einst voller Freude und mit so vielen Hoffnungen und Träumen eingezogen war.
Zumindest hast du dir eine Geschichte für Mum und Dad zurechtgelegt, dachte sie, als sie sich hinters Steuer setzte. Es war eine Lüge und eine ziemlich horrende dazu. Aber sie log aus Barmherzigkeit, wie Ruth sich immer wieder einredete. Sie musste ihre Eltern schonen und wollte auf keinen Fall dafür verantwortlich sein, dass ihnen das Herz brach.
Es würde ihnen schon genug Schmerzen bereiten, wenn sie entdeckten, dass sie schwanger war. Doch sie wären am Boden zerstört, wenn sie die ganze Wahrheit erfahren würden. Dass sie, Ruth, eine ledige Mutter sein würde, die den Vater ihres Kindes liebte, der ihre Liebe allerdings nicht erwiderte. Für ihre Eltern würde und konnte es nur einen Rückschluss geben, nämlich dass jener Mann ihre Tochter bloß benutzt und diese, was noch schlimmer war, es zugelassen hatte.
Das körperliche Beisammensein, der schönste Liebesbeweis zwischen Mann und Frau, war zur reinen Triebbefriedigung herabgewürdigt worden. Natürlich würden ihre Eltern sie nicht verdammen. Aber sie würde immer den stummen Vorwurf in ihren Augen lesen, und diese Vorstellung war ihr unerträglich.
Sobald sie den Wagen vor dem Pfarramt geparkt hatte, kam ihre Mutter nach draußen, und Ruth zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie hatte sich zu Hause angekündigt, und wahrscheinlich würde es zur Begrüßung ihr Lieblingsgericht geben: gebratenen Fisch und selbst gemachte Pommes frites mit frisch gebackenem Brot und viel Butter und köstlichem Erbsenpüree.
Bitte, lieber Gott, lass mich begeistert aussehen, flehte Ruth stumm, als sie sich wenig später an den Tisch setzte und ihre Eltern anblickte. Zweifellos konnten diese ihre Neugier kaum noch bezähmen, endlich die unglaubliche Neuigkeit zu hören, die sie ihnen am Telefon versprochen hatte. Dennoch bestanden sie darauf, dass sie, Ruth, sich nach der langen Fahrt erst einmal stärken sollte, bevor sie ihnen alles
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