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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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getrocknet werden muß. Die Mahlzeit gibt eine Quintessenz der Landschaft; zu ihr vereinen sich die Fische des Meeres mit dem reinen Mehl, dem Saft der Ölfrucht und den getrockneten Trauben der fruchtbaren Ebene, während Fenchel und Piniensamen die Würze der Berge hinzufügen.
    Perpetua, als sie von diesen Zubereitungen hörte, bat sich ein einfaches Schnitzel aus.
    Am Abend begannen wir zu packen; auch legte ich einen Obolos zurecht, um ihn im Augenblick der Abfahrt in das Wasser der Bucht zu werfen, denn ich hoffe, daß wir im nächsten Jahr zurückkehren.

SANDUHRSTIMMUNGEN, 1954
    Sanduhren – der Leser wird die Stimmung kennen, in der ein Gegenstand, gleichviel ob wir uns täglich seiner bedienen oder ob wir ihn nur flüchtig erblicken, ansprechend wird. Das ist der Anfang jeder Neigung und jedes Sammlertums. Wir beginnen uns in den Gegenstand zu vertiefen und dringen in ihn ein. Er offenbart uns seine Geheimnisse, und wenn wir Geduld haben, werden wir finden, daß ein Geheimnis dem anderen folgt. Die kleinste Blume hat ja Verwurzelungen im Unendlichen, und unsere Neigung ist es, die sie entdeckt. Das Unscheinbare ist nur Verschleierung.
    Ähnlich ging es mir mit den Sanduhren. Die erste schenkte mir Klaus Valentiner, der leider, wie so mancher liebe Freund, in Rußland verschollen ist. Ich sah sie als eines der Kuriosa an, wie man sie gern auf den Regalen oder zwischen den Büchern hat. Viel später erst, im Laufe nächtlicher Arbeiten, fiel mir auf, daß eine eigentümliche Beruhigung, ein stilles Leben von diesem Stundenglase ausging, das in sein eisernes Spindelwerk wie in einen Grillenkäfig eingezwingert war. War es das Alter, das ihm den opalenen Glanz verliehen hatte, den feinen Schleier, wie man ihn sonst bei ausgegrabenen Gläsern trifft? Der weiße Sand rann lautlos aus einer Mensur in die andere. Er höhlte sich trichterförmig in der oberen und wölbte sich zum Kegel in der unteren. Man konnte diesen Berg, der aus verlorenen Augenblicken sich häufte, als tröstliches Zeichen dafür nehmen, daß die Zeit wohl ent-, nicht aber verschwindet. Sie reichert sich in der Tiefe an.
    Diese Verwandtschaft des Stundenglases zur Ruhe gelehrter Studien und zur häuslichen Gemütlichkeit ist oft bemerkt worden. Für beide haben wir das Zeugnis berühmter Bilder: Dürers »Melancholia« und »Hieronymus im Gehäus«. Auf dem ersten sehen wir einen sinnenden Engel, der einen Zirkel hält, inmitten eines faustischen Instrumentariums von Kristallen, Waagen, Zahlenanordnungen. Ein Alchimistenfeuer brennt vor kosmischem Hintergrund. Das andere zeigt den Heiligen in seiner Zelle bei einer Niederschrift. Bücher, Leuchter, Gefäße, Blätter voller Notizen, ein Totenkopf, ein Kruzifixus bilden die Einrichtung Unter der Bank steht ein Paar Gartenschuhe; die Sonne fällt durch die verbleiten Scheiben ein.
    An beiden Bildern ist eine große Sanduhr merkwürdig, ein wahres Stundenglas. Auf beiden zeigt sie die halbe Zeit an, was vielleicht bedeutet, daß der Maler den Heiligen und den Engel mitten in ihrer Tätigkeit erblickt. Dem entspricht, daß die Waage der Melancholia im Gleichgewicht steht und daß die Glocke schwingt, das Feuer brennt. Wir sind tief in der Zeit.
    Auf beiden Bildern ist die Jahreszahl 1514 vermerkt. Die Sanduhren sind nach verschiedenen Modellen gestochen, was wohl auf ihre Häufigkeit in jenen Zeiten schließen läßt. Während der Engel, umgeben von den Hilfsmitteln des Geistes, in müßige Gedanken versunken scheint, ja vielleicht über die Eitelkeit seines Wissens und seiner Werke meditiert, ist Hieronymus in seine Tätigkeit vertieft. Es kann sich dabei nicht um eine Abschrift handeln, da kein Buch vor ihm auf dem kleinen Tischpult liegt, sondern um eine schöpferische Niederschrift. Durch viele Generationen übte dieses Bild seinen Zauber auf kontemplative Geister aus. Wer möchte nicht teilhaben an dieser Stille, inmitten der warmen hölzernen Täfelung, während in der Ecke der Sand durch das Stundenglas rieselt und vor dem Pult ein Löwe träumt, den man sich auch durch eine Katze ersetzen kann? Und in der Tat hausen und wirken auch heute noch in Europa viele Geister ähnlich, und jedem wird vor Dürers Bilde sogleich der mehr oder weniger bescheidene Sitz eines gelehrten oder eines musischen Freundes einfallen, an den er erinnert wird. Dieses Erinnert-Werden gehört ja zum Wesen des Kunstwerks, das ein verborgenes, doch immer wiederkehrendes Verhältnis offenbart.
    So ist in jedem

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