Ein abenteuerliches Herz
von ziehenden Wachteln, die dort entweder als Wintergäste bleiben oder die Reise nach Nordafrika fortsetzen. Im September erscheint die »Quaglia« auf den Speisekarten mit einer Ausdauer, die darauf schließen läßt, daß sie in Massen im Garn gefangen wird. Zuweilen sieht man sie auch, als Zier- und Singvogel gehalten, vor den Häusern in Käfigen.
Zu erwähnen sind noch einige Arten von Wildtauben, die als schnelle und scheue Flieger selten erlegt werden. Zu ihnen gehört die Felsentaube, ein Vogel, der die Grotten und Höhlen mariner Steilufer liebt. Sie nistet dort an unzugänglichen Plätzen, und ich verfolgte oft ihren pfeilschnellen Flug vom Boot oder vom oberen Rand der Klippe aus. Wenn man die felsigen Ufer umfährt, schwebt sie wie ein Geistervogel aus den Klüften heraus. Graue, blaue und rosige Töne verbinden sich auf die zarteste Art in ihrem Gefieder, das an der Halskrause, als ob es zu glühen begänne, bunt aufschillert.
Diese Montur und ihr Verhalten an der Steilwand begründen die Vermutung, daß die Felsentaube die Stammutter unserer Haustaube sei. Wenn diese halbverwildert in großen Schwärmen die Städte bevölkert, stellt sich aus ihren Rassen der Habitus der Urform wieder her.
Die Taube gilt als eines der Paradebeispiele für die Variabilität. Von solchen Wesen könnte man sagen, daß sie die Nähte am Schöpfungskleid besetzen; das macht sie besonders anziehend. Es gab zu allen Zeiten Taubennarren, wie es Tulpen- und andere Narren gegeben hat. Sie folgen einer Leidenschaft, die sich auf Wesen richtet, an denen die Natur ihre musterbildende Kraft zu erproben scheint. Ihre Verschwendung läßt auch den Menschen Maß und Sparsamkeit vergessen; das ist eine Verführung, der schon mancher Sammler erlegen ist.
Bei der Taube kommt noch ein anderes hinzu: die unmittelbare Neigung, zu der das Tier herausfordert. Der Mensch hat ihm daher auch in seinen Fabeln, Sprichwörtern und Gleichnissen viel Tugenden verliehen. Diese Ausstattung hält der Beobachtung nicht stand. Dennoch ist höhere Wahrheit in ihr verborgen, insofern als dem Liebhaber warm ums Herz wird, wenn er sich in den Anblick und in die Spiele seiner Lieblinge vertieft. Das zu gewähren, vermag die Taube auf besondere Weise; sie macht wie ein Juwel nicht nur den Reichtum sichtbar, sondern auch den Eros, der sich als Grundmacht in der Welt verbirgt. Überall, wo wir ein solches Fenster finden, wo wir eine der zahllosen Facetten liebevoll betrachten, wird das Universum auf diese Weise antworten.
ANNÄHERUNGEN. Drogen und Rausch, 1970
Qu'elle soit ramassée pour »le bien« ou pour »le mal«, la mandragore est crainte et respectée comme une plante miraculeuse … En elle sont renfermées des forces extraordinaires, qui peuvent multiplier la vie ou donner la mort. En une certaine mesure donc, la mandragore est »l'herbe de la vie et de la mort«.
Mircea Eliade in »Le culte de la mandragore en Roumanie«, »Zalmoxis«, 1938
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Der Einfluß der Droge ist ambivalent; sie wirkt sowohl auf die Aktion wie auf die Kontemplation: auf den Willen wie auf die Anschauung. Diese beiden Kräfte, die sich auszuschließen scheinen, werden oft durch dasselbe Mittel hervorgerufen, wie jeder weiß, der einmal eine zechende Gesellschaft beobachtet hat.
Allerdings ist es fraglich, ob man den Wein zu den Drogen im engeren Sinne rechnen darf. Vielleicht wurde seine ursprüngliche Gewalt in Jahrtausenden des Genusses domestiziert. Mächtigeres, aber auch Unheimlicheres erfahren wir aus den Mythen, in denen Dionysos als Festherr mit seinem Gefolge von Satyrn, Silenen, Mänaden und Raubtieren erscheint.
Der Siegeszug des Gottes geschah in umgekehrter Richtung wie der Alexanders: von Indien über den Vorderen Orient nach Europa, und seine Eroberungen sind nachhaltiger. Dionysos gilt, gleich dem Adonis, als Stifter orgiastischer Feste, deren Periodik sich tief in die Geschichtswelt einflicht und mit denen ein üppiger Phallosdienst verbunden war. Dieser bildete nicht den Inhalt der Dionysien, sondern eine der Offenbarungen, die das Mysterium und seine bindende Kraft bestätigten. Demgegenüber konnten, einem alten Autor zufolge, »die Feste der Aphrodite auf Cythere fromme Kinderspiele genannt werden«.
Diese ursprüngliche Kraft des Weines ist geschwunden; wir sehen sie gemildert wiederkehren in den Herbst- und Frühlingsfesten der Weinländer. Nur selten tritt aus der Steigerung von Lebenslust, von Farben, Melodien, grotesken Bildern noch eine Spur
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