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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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der alten Mysterienwelt mit ihrer unheimlich ansteckenden Gewalt hervor. Archaisches taucht dann in den Gesichtern, den Sprüngen und Tänzen auf. Vor allem die Maske gehört dazu, das Symbolon der »verkehrten Welt«.
    Wenn wir die Triumphe von Alexander und Dionysos vergleichen, so berühren wir damit auch den Unterschied von historischer und elementarer Macht. Der Erfolg in der Geschichte, etwa die Eroberung Babylons, ist flüchtig und an Namen geknüpft. Der Augenblick kehrt in dieser Form nicht wieder; er bildet ein Glied in der Kette der historischen Zeit. Für Wandlungen innerhalb der Elementarwelt sind dagegen weder Namen noch Daten wichtig, und doch geschehen sie immer wieder, nicht nur unter-, sondern auch innerhalb der historischen Zeit. Sie brechen wie Magma aus der Kruste hervor.
    Um beim Wein zu bleiben: Alexander mußte aus Indien weichen, während Dionysos noch heute als namenloser Festherr regiert. Der Wein hat Europa stärker verändert als das Schwert. Immer noch gilt er als Medium kultischer Wandlungen.
    Der Austausch von neuen Giften und Räuschen, auch von Lastern, Fiebern und Krankheiten, entbehrt der festen Daten, mit denen sich eine Krönung oder eine Entscheidungsschlacht dem Gedächtnis einprägen. Das bleibt im Dunkel, im Wurzelgeflecht. Wir können die Vorgänge ahnen, doch weder ihren Umfang ermessen noch in ihre Tiefe eindringen.
    Als Cortez 1519 in Mexiko landete, fiel das für die Europäer in die historische, für die Azteken in eine magische Weltordnung. Dort ist der Traum noch mächtiger als das wache Bewußtsein, die Ahnung bindet stärker als das Wort. Bei solchen Kontakten webt ein spiegelbildliches Hin und Her, das bald als Raub und bald als Gabe, dann wieder als Schuld und Sühne begriffen wird – etwa im Opfer: hier Montezuma, dort Maximilian, beide Kaiser von Mexiko. Unter der Oberfläche werden Keime, Bilder, Träume gegeben und empfangen in einem Wechsel, der Stämme vernichtet und andere befruchtet, doch dessen Wirken sich der exakten Beschreibung und Datierung entzieht.
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    Die Statistik kann, auch wo sie präzis ist, aus einem Problem nicht mehr als Ziffern herausholen. Das Problem wird in der Tiefe nicht davon berührt; es bleibt im eigentlichen Sinn des Wortes Streitfrage. Das gilt besonders für Gebiete, die an die Psyche angrenzen, wie für jedes Verhalten, auch das der Tiere, und nicht minder für unser Thema: die Drogen und der Rausch.
    So hat man, um in diesem Zusammenhang eines der großen Geschenke Amerikas an Europa, den Tabak, zu erwähnen, ziemlich genaue Ziffern hinsichtlich des Verhältnisses gewonnen, das zwischen dem Nikotin und einer Reihe von Krankheiten besteht. Solche Ermittlungen gehören in das Gebiet der Ökonomie; man muß jedoch, um sie anzuerkennen, bereits den Begriff des »Nutzens« akzeptiert haben, unter dem sie getroffen sind.
    Der Nutzen ist in diesem Falle hygienischer Natur. Indessen könnte mit dem Rauchen in anderer Hinsicht auch Gewinn verknüpft sein – schon das Wort »Genuß« deutet es an. Man könnte an die Behaglichkeit im Gespräch denken, an die Verkürzung einer langweiligen und an die Verflüchtigung einer trüben Stunde, an eine Assoziation, die eben auf diese Weise gefördert wird – an einen Augenblick des Glücks schlechthin. Jede Konzentration, aber auch jede Entspannung muß bezahlt werden. Ist der Genuß die Ausgabe wert? Hier ruht das Problem, zu dem die Statistik nur Daten liefern kann. Es taucht im Raucher vor jeder Zigarette auf.
    Die Statistik bestätigt nur eine seit jeher bekannte Tatsache: daß die Droge gefährlich ist. Wer sich mit ihr einläßt, geht ein Risiko ein, das um so höher wird, je weniger er kalkuliert. In dieser Hinsicht freilich, zum Vergleich von Gewinn und Einsatz, hat die Statistik ihren Wert.
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    Wenn wir den Wein und den Tabak in die Betrachtung einbeziehen, so deshalb, weil es sich empfiehlt, von möglichst bekannten Größen auszugehen. Zum eigentlichen Thema gehören beide nur am Rand. Sie werden um so weniger davon berührt, je schärfer wir den Begriff der Droge abgrenzen. Für Baudelaire öffnet der Wein die Pforte zu den künstlichen Paradiesen neben dem Haschisch und dem Opium. Mit Recht widerstrebt es dem Freund des Weines, ihn als Droge anzusehen. Es ist ihm auch lieber, daß Winzer und Küfer, als daß Chemiker und Fabrikanten sich mit dem Wein beschäftigen. Immer noch sind ihm vom Anbau der Rebe bis zur Auferstehung der Traube aus dem Keller Sorgfalt und Kunst von

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