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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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stets bewußt. Daher war mir das Bangen fremd, mit dem vor allem die Schönheit uns bezaubert; ich war von absoluter Sicherheit. Ihr folgte Unwiderstehlichkeit.
    Ich saß in Wannsee beim Frühstück, als ein Herr Katzenstein sich melden ließ. Er war mir namentlich bekannt als einer der feinsten Finanziers. Ich ließ ihn eintreten. Nach einigen allgemeinen Redensarten kam er zur Sache; sein Anliegen war etwa folgendes:
    Er hatte seit langem meine Aufträge verfolgt; auch jene der Makler, die ich beorderte. Er kannte meine Strohmänner. Es schien ihm, von diesem oder jenem Fehlschlag abgesehen, sich hinter diesen Transaktionen ein Scharfsinn zu verbergen, der ungewöhnlich war. Er ging auf Einzelheiten ein und sprach von genialer Kombination. Reine Bewunderung habe ihn zu dem Besuch veranlaßt, wie etwa die Lektüre eines Buches im Leser unwiderstehlich den Wunsch nach einer persönlichen Begegnung mit dem Autor entzünden mag. Er sah mich listig an und schnalzte mit der Zunge wie jemand, der einen Spitzenwein probiert.
    Bei diesen Worten ergriff mich ein lebhafter Ärger; es schien mir, daß ich in der letzten Zeit zu wenig vorsichtig gewesen war. Nun war es am besten, eine autoritäre Miene aufzusetzen und auf seine Bewunderung einzugehen. Ich bot ihm mit gönnerhaftem Lächeln von meinem Portwein an. Was war denn auch natürlicher, als daß der Gewinn auf eine sonderliche Kenntnis des Geldes und seiner Kreisläufe gegründet war? Notwendig war zunächst die Einsicht in die große Politik und ihre Wirkung auf die Märkte und die schwere Industrie. Von dieser hingen in mannigfacher Verflechtung die anderen Zweige ab. Sodann war da die Frage des freien Geldes und der großen Becken, in die es einströmte. Die Konjunkturen hatten zwar vielfache und oft verborgene Gründe, doch waren sie nicht unberechenbar. Wenn jemand einen Stein ins Wasser fallen sah, dann konnte er auch auf die Wirbel schließen, die sich bildeten. Es ließ sich berechnen, wann diese oder jene Stelle des Teiches in Bewegung kam.
    Katzenstein hörte aufmerksam zu, als ich ihm diese Gemeinplätze entwickelte. Er antwortete mit großer Höflichkeit:
    »Gewiß, so steht es in den Leitfäden der Nationalökonomie. Auf diese Weise sagt der Meteorologe mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die Witterung voraus. Freilich nicht ohne Stationen, Instrumente, Schiffe und auf der Welt verteiltes Personal.«
    Er spreizte dabei die Hände, indem er ihre leeren Flächen betrachtete.
    »Was wollen Sie damit sagen, Herr Kommerzienrat?«
    Er sah mich mit entzückten Augen an, als ob er einen Raffael bewunderte:
    »Ein guter Kopf, ich habe es gleich gesagt, ein exzellenter Kopf. Und auch ein Portweinchen – das kann nur vom alten Sandeman persönlich sein. Ich meine, daß die Wissenschaft vom Gelde in praxi nicht genügt. Sie setzt auch Kapital voraus. Das Geld gewinnt mit seinem Umfang an Anziehungskraft. Der Vorteil der Banken liegt darin, daß sie die Serie länger und auf verschiedeneren Feldern verfolgen können als der kleine Spieler und daß so die Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite steht. Es gibt nur eine Art des Spieles, das dem gewachsen wäre – und das ist jenes, das die Serie korrigieren, das Wetter machen kann.«
    Mein Ärger wurde heftiger. Der Bursche mit den vom guten Leben und von der Galle getrübten Augen hatte sich ohne Zweifel genau nach mir erkundigt; er wußte, daß ich noch vor kurzem ein Bettler gewesen war. Natürlich war er weit vom Ziel. Er hielt mich für einen Agenten der Mächte, die unsichtbar im Hintergrund des Marktes stehen. Nur war er nicht klug genug, zu wissen, daß dieser Hintergrund ein irrationaler ist. Er ahnte nicht und konnte nicht ahnen, daß ich meine Tips vom größten Kulissier der Welt erhielt und daß ich Blankovollmacht von ihm besaß. Er wußte nicht, bei wem er frühstückte.
    Mit der gebotenen Zurückhaltung ließ ich durchblicken, daß seine Ansicht nicht ganz unwahrscheinlich sei. Besaß ich aber in der Tat Verbindungen, wie er sie vermutete, so konnten sie nur dadurch wirksam werden, daß man sie verschwieg. Natürlich erhöhte mein Verhalten noch seine Aufmerksamkeit. Sie steigerte sich in dem Maß, in dem ich mich von ihm distanzieren zu wollen schien. Bei jedem Geschäft liegt ja der Vorteil beim Unbeteiligten. Er drängte sich mir nun förmlich auf, fuhr wie ein Raubfisch auf meine Köder los.
    Von nun an suchte Katzenstein mich häufig auf und bat mich um meinen Rat. Er nahm mir damit, ohne daß er es ahnte,

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