Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
Vom Netzwerk:
großen Geschäfte, des großen Geldes, dessen Bewegung fast reine Geisteskraft bestimmt. Ich drang in die Geheimnisse der Börse ein. Die Technik war mir bald vertraut. Ich lernte die Werte kennen und dann die Meinung, die den Kurs bestimmt. Wie alle Mächte dieser Erde, ist auch das Geld zugleich durchaus real und durchaus imaginär. Die großen Geschäfte meistert, wer beide Charaktere kennt. Daraus erklärt sich der Zusatz an Phantasie, der keinem der Fürsten des Geldes fehlt und der sie zu Kompositionen fähig macht, die denen der Musik sehr ähnlich sind. Man führt ja auch die Musikalität auf Wahrnehmung von feinsten Zahlenordnungen zurück.
    »Verkaufe steigende Papiere und kaufe fallende.« In dieser Regel verbirgt sich die Strategie des Börsenspiels, und sie besagt, daß man die Serie im rechten Zeitpunkt unterbrechen soll. Der auf die Chance gerichtete Instinkt, die eingeborene Leidenschaft treibt uns zum Gegenteil, denn sie wähnt immer, daß die Serie endlos sei. Ich aber kannte die Gesetze, auf denen die Konjunktur beruht.
    Nun trat ich in den Kreis der auserwählten Geister, denen der Menschenreichtum, die Menschenarbeit zinsbar wird. Geschäft ist anderer Leute Mühe, ist anderer Leute Geld. Der Neger, der im blauen Grund den Diamanten nachspürt, der Ingenieur, der mit Legionen von fieberkranken Gräbern zwei Meere durch einen Trakt verbindet, der Farmer, der sorgenvoll den Stand der Frucht betrachtet, der Fürst, der Krieg und Frieden in seinem Kabinett erwägt – sie alle ahnen kaum, daß ihr Bemühen noch einmal aufgefangen wird im Spiegel der Spekulation, in Kammern, in denen man den Wert der Welt als Geldeswert erkennt. Geld ist die eigentliche Macht des Lebens, ist seine sinnvollste Abbreviatur – und daher der allgemeine und ungeheure Drang, sich seiner zu bemächtigen.
    Geheimnisvoll ist auch das Ebben und Fluten des großen Geldes, bei dem Vermögen gewonnen werden und sich verflüchtigen. Die Kenntnis dieses Wechsels ist auf den höchsten Rängen ganz von den Werten abgelöst. Sie wirkt vielmehr mit mächtigen Fiktionen auf die Werte ein. Und es gibt Orte, an denen die Verluste nicht minder zinsbar werden als der Gewinn. An ihnen nimmt das Geschäft den idealen Charakter an.
    Ich hatte mich bald derart eingerichtet, daß ich mit einem Mindestaufwand an Zeit ein Höchstmaß an Geld gewann. Teils durch Agenten, teils durch Telefonate gab ich den Banken Auftrag, Papiere anzukaufen, die sich zum Minimum bewegten, und andere abzustoßen kurz vor der Kulmination. Die eigentliche Schwierigkeit bestand nicht in der Auswahl, in der ich ja unfehlbar war. Vielmehr beruhte sie darauf, daß ich mich beschränken mußte, damit nicht durch meine Käufe eine Störung im Verhältnis von Angebot und Nachfrage entstand. Ich war da in der Lage eines Menschen, der zwar den Sieger im Rennen kennt, jedoch die Quote verringern würde, wenn er beliebig wettete. Die Lage fesselte mich auch philosophisch, denn sie gab einen exquisiten Einblick in das Gewebe von Willensfreiheit und Determination. Zuweilen pflegte ich die Serie zu unterbrechen und Verluste zu fingieren, damit die Operationen unübersichtlich blieben und man sich mir nicht anhängte. Das brachte manchem den Ruin. Doch wurde mein Vermögen bald enorm.
    Ich richtete in allen Hauptstädten, an allen Börsenplätzen kleine, erlesen ausgeschmückte Villen ein, pieds à terre. Die ersten Schneider, die besten Lieferanten standen in meinem Dienst. Aufkäufer sahen sich nach Bildern und Kunstwerken für mich um. Von jeher hatte ich geliebt, mich mit Geschmack zu kleiden und auserwählte Dinge um mich zu sammeln; nun konnte ich jeden Wunsch befriedigen. Ich wurde zum Dandy, der das Unwichtige wichtig nahm, das Wichtige belächelte. Selbst kleinen Mühen ging ich aus dem Weg. So war ich der Anproben überdrüssig; ich hatte Puppen, die nach meinen Maßen gebildet waren und nach denen die Schneider arbeiteten. Ich hielt auf gute Wagen, gute Pferde und auch, obwohl ich mäßig trank, in meinen Kellern auf den besten Wein. Ein Haushofmeister mit den Manieren eines venezianischen Gesandten ersparte mir auch den leisesten Ärger mit der Dienerschaft.
    In Longchamps sah man mich mit der Fürstin Pignatelli, in Epton mit Sarah Butler, deren Spiel seinen Höhepunkt erreicht hatte. Mir war enthüllt, was Frauen um so sorgsamer verbergen, je stärker es sie ergreift: die Neigung, die sie zu einem Unbekannten fassen, der ihre Sphäre streift. Ich war mir meiner Wirkung

Weitere Kostenlose Bücher