Ein abenteuerliches Herz
Achse bezogen, die selbst keine Worte zu tragen vermag. Die Sprache, von der ich träume, muß bis in den letzten Buchstaben verständlich oder vollkommen unverständlich sein als der Ausdruck einer höchsten Abgeschlossenheit, die allein zur höchsten Liebe fähig macht. Es gibt Kristalle, die nur in einer Richtung durchsichtig sind.
Aber bist du nicht selbst ein Meister, der seine Rätsel kunstvoll zu stellen weiß? jene Rätsel, von denen nur der Text, nicht aber die Lösung mitteilbar ist, so wie der Jäger seine Schlingen wohl knüpfen kann, aber warten muß, ob ein Wild sie zuziehen wird?
Kommt es doch nicht darauf an, daß die Lösung, sondern daß das Rätsel gesehen wird.
5
Du kennst das Leben am Rande der finsteren Wälder, die Gärten, leuchtende Inseln im Glanze der Lampione, eingeschlossen in die Zauberwirbel der Musik. Du kennst die Paare, die sich schweigend im Dunkel verlieren; dein Strahl trifft ihre Gesichter – bleiche Masken, während die Wollust den Atem beschleunigt und die Angst ihn unterdrückt. Du kennst den Trunkenen, der einsam das Dickicht durchbricht.
Du warst groß aufgegangen über dem strohgedeckten Hause am Strom in jener Juninacht, in der einer deiner Lehrlinge mit dir engere Brüderschaft schloß. Der Zechtisch war auf die gestampfte Tenne gestellt, und an den mit Tannenreisern ausgeschlagenen Wänden glänzten die Waffen und roten Mützen im Tabaksrauch. Wo ist diese Jugend geblieben, die so bald die geheimen Siegel des Todes aufbrechen sollte, dessen Botschaft schon für sie bereitet war? Sie war nur einmal, und sie ist immerdar. Wie reißt der erste Rausch das Herz wie mit Segeln dahin! Hattest du diesen nicht lieb, wie er zum ersten Mal in die Tiefen versank, in denen der Elementargeist die Kraft mächtig beschwingt? Gibt es nicht Stunden, in denen man von allem geliebt werden muß, wie eine Blume, die in wilder Unschuld erblüht? Stunden, in denen wir vom Übermaß wie ein Geschoß aus den gezogenen Läufen der Gewohnheit gepreßt werden? Erst dann beginnen wir zu fliegen, und erst im Ungewissen gibt es ein hohes Ziel.
Ich begleite ihn mit meinen Augen, als ob es heute gewesen wäre, denn es gibt Erlebnisse von einer Gültigkeit, die sich allen Gesetzen der Zeit entzieht. Wenn das Feuer des Weines die Jahresringe zerschmilzt, die sich um dieses wunderliche Herz geschlossen haben, entdecken wir, daß wir im Grunde immer dieselben geblieben sind. O Erinnerung, Schlüssel zur innersten Gestalt, die Menschen und Erlebnisse bewohnt! Ich bin gewiß, daß du selbst im dunklen, bitter berauschenden Wein des Todes enthalten bist als der letzte und entscheidende Triumph des Seins über die Existenz. Euch grüße ich vor allen, ihr einsamen Zecher, die ihr mit euch selbst am Tische sitzt und über Zeiten und Zeiten das Glas gegen euch erhebt! Was sind wir anders als die Spiegelbilder unserer selbst, und wo wir so zu zweit zusammensitzen, da ist auch der Dritte, der Gott, nicht fern.
Ich sehe deinen Schützling, wie er aus einem wütenden Lärm vor die niedrige Türe tritt, über der der schmale weiße Pferdeschädel im Nachtlicht gleißt. Die warme Luft, die mit dem Blütenstaub der Gräser wie mit narkotischem Schießpulver geladen ist, ruft einen wilden Ausbruch hervor, der ihn schreiend und blindlings in die schweigende Landschaft treibt. Er läuft auf dem Kamme der hohen Mauer entlang, die die Wiesen begrenzt, und stürzt von ihr, seltsam schmerzlos, in das dichte Gras hinab. Weiter geht der Lauf im Gefühl einer Kraft, die sich aus unbegrenzten Mitteln zu nähren scheint. Die großen weißen Dolden, die wie fremde Signale vorübergleiten, der Geruch einer heißen, gärenden Erde, die bitteren Dünste der wilden Möhre und des gefleckten Schierlings – dies alles gleicht den Seiten eines Buches, die sich von selbst aufschlagen und auf denen von immer tieferen, wunderbareren Verwandtschaften berichtet wird. Keine Gedanken mehr, die Eigenschaften schmelzen dunkel ineinander ein. Das namenlose Leben wird jauchzend begrüßt.
Er bricht in den weiten Schilfgürtel ein, der den Strom umschließt. Aus dem Schlamm treiben die Gase brodelnd empor. Wie mit Armen umfängt das Wasser die glühende Brust, und dann gleitet das Gesicht über den dunklen Spiegel des Flusses dahin. In der Ferne braust ein Wehr, und das Ohr, das der Ursprache nahegekommen ist, fühlt sich gefährlich verlockt. Aus bodenlosen Tiefen schimmern die Sterne herauf und beginnen zu tanzen, wenn das Wasser seine
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