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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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körperlichen Ausdruck dieses Lebens gegenübersteht. Ja ich glaube, daß sie seit ganz kurzer Zeit überhaupt erst wieder möglich geworden sind. Ein solcher Augenblick aber war es gerade, der mich in dieser Stunde überraschte – ich fühlte die Augen dieses Tales voll Aufmerksamkeit auf mir ruhen. Mit anderen Worten: es war unzweifelhaft, daß dieses Tal seinen Dämon besaß.
    Gerade jetzt und noch im Taumel der Entdeckung fiel mein Blick auf deine schon sehr bleiche Scheibe, die dicht über dem Höhenkamme und wohl nur aus der Tiefe heraus noch am Himmel zu sehen war. Da stand in einer seltsam blitzhaften Geburt das Bild des Mannes im Monde wieder auf. Gewiß, die Mondlandschaft mit ihren Felsen und Tälern ist eine Fläche, die der astronomischen Topographie ihre Aufgaben stellt. Aber ebenso gewiß ist es, daß sie zugleich jener magischen Trigonometrie, von der wir eben sprachen, zugänglich ist – daß sie zugleich ein Gebiet der Geister ist und daß die Phantasie, die ihr ein Gesicht verlieh, mit der Tiefe des kindlichen Blickes die Urschrift der Runen und die Sprache des Dämons verstand. Aber das Unerhörte für mich in diesem Augenblicke war, diese beiden Masken ein und desselben Seins unzertrennlich ineinander einschmelzen zu sehen. Denn zum ersten Male löste sich hier ein quälender Zwiespalt auf, den ich, Urenkel eines idealistischen, Enkel eines romantischen und Sohn eines materialistischen Geschlechtes, bislang für unlösbar gehalten hatte. Das geschah nicht etwa so, daß sich ein Entweder-Oder in ein Sowohl-Als-auch verwandelte. Nein, das Wirkliche ist ebenso zauberhaft, wie das Zauberhafte wirklich ist.
    Das war das Wunderbare, das uns an den doppelten Bildern entzückte, die wir als Kinder durch das Stereoskop betrachteten: Im gleichen Augenblick, in dem sie in ein einziges Bild zusammenschmolzen, brach auch die neue Dimension der Tiefe in ihnen auf.
    Ja, so ist es: die Zeit hat uns den alten Zaubersprüchen, die lange vergessen, aber immer gegenwärtig waren, wieder nahegebracht. Wir fühlen, wie, zögernd noch, Sinn in das große Werk einzuschießen beginnt, an dem wir alle schaffen, das uns im Banne hält.

DAS ABENTEUERLICHE HERZ. Erste Fassung, 1929
    Aufzeichnungen bei Tag und Nacht
    »Den Samen von allem, was ich im Sinn habe, finde ich allenthalben.« Hamann
    Berlin
    Es wäre mir unmöglich, für meine Person die starke Anteilnahme aufzubringen, deren Vorhandensein ich nicht leugnen kann, verliehen mir nicht zwei Umstände eine gewisse Sicherheit.
    Einmal besitze ich das bestimmte Gefühl, einem im Grunde fremden und rätselhaften Wesen nachzuspüren, und dies bewahrt vor jener pöbelhaften Eigenwärme, jener Stickluft der inneren Wohn- und Schlafzimmer, die mir am »Anton Reiser« unangenehm ist. Es verleiht dem Zugriff eine größere Sauberkeit, wie der Gummihandschuh den Fingern des Operateurs. Ich habe dieses Gefühl, als ob ein aufmerksam beobachtender Punkt aus exzentrischen Fernen das geheimnisvolle Getriebe kontrollierte und registrierte, selbst in den verworrensten Augenblicken nur selten verloren. Ja es schien mir oft, als ob in sehr menschlichen Augenblicken, etwa denen der Angst, dort oben etwas vorginge, was ungefähr einem mokanten Lächeln verglichen werden könnte. Aber auch andere Zeichen – Trauer, Rührung, Stolz – glaubte ich zuweilen gleich Signalen einer inneren Optik an jenem Fixpunkt zu erkennen, den ich als ein zweites, feineres und unpersönliches Bewußtsein bezeichnen möchte. Von dort aus gesehen, wird das Leben von noch etwas anderem als von Gedanken, Empfindungen und Gefühlen begleitet, seine Werte werden gleichsam noch einmal gewertet, ähnlich wie ein bereits gewogenes Metall trotzdem von einer besonderen Instanz einen zweiten Stempel erhält. Von dort aus gesehen, erhält dieses Treiben auch erst einen fesselnderen Reiz als den innerhalb der Bezirke einer selbstbewußten Vitalität möglichen.
    Dann aber weiß ich auch, daß mein Grunderlebnis, das, was eben durch den lebendigen Vorgang sich zum Ausdruck bringt, das für meine Generation typische Erlebnis ist, eine an das Zeitmotiv gebundene Variation oder eine, vielleicht absonderliche, Spezies, die jedoch keineswegs aus dem Rahmen der Gattungskennzeichen fällt. Aus diesem Bewußtsein heraus meine ich auch, wenn ich mich mit mir beschäftige, nicht eigentlich mich, sondern das, was dieser Erscheinung zugrunde liegt und was somit in seinem gültigsten und dem Zufall entzogensten Sinne auch jeder

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